4. Dez. 2025

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wie Pflanzen in Höhlen gedeihen können

Ruth Gestrich-Schmitz

Welche Tiere leben in Höhlen? Da fallen mir als Erstes Fledermäuse ein. Und wie sieht es mit Pflanzen in Höhlen aus? Dort, wo kein Tageslicht hinkommt, sollte man meinen, ist kein Pflanzenwachstum möglich. Denn Pflanzen brauchen Licht, um Photosynthese zu betreiben und sich entwickeln zu können.

Bei einer Führung durch das ehemalige Bleierzbergwerk „Grube Wohlfahrt“, einem Besucherbergwerk in Rescheid/Eifel, fiel mir an der Decke des Stollens grüner Moosbewuchs auf, über einer beleuchteten Schautafel. Dieses elektrische Licht reicht tatsächlich aus, um das Gedeihen dieses Mooses zu ermöglichen. Lampenflora nennt man diese Photosynthese betreibenden Pflanzen, die sich bei der künstlichen Beleuchtung ansiedeln können. Dazu gehören vor allem Algen, Moose und Farne, Arten, die außerhalb von Höhlen bevorzugt in schattigen Nischen wachsen, also schon an dunkle Standorte angepasst sind. Deren Keime und Sporen werden meistens mit den Besuchern, auch durch Tiere, Wasser oder Luftströmungen in die Schauhöhlen oder Besucherbergwerke getragen. Samen von Blütenpflanzen können auch auf diesen Wegen hineingelangen. Blütenpflanzen haben bei den schlechten Lichtverhältnissen aber kaum eine Überlebenschance. Sie treten nur selten, in Form von blassen, kurzlebigen Keimlingen auf.

Neben dem Licht ist eine konstant hohe Luftfeuchtigkeit eine lebensnotwendige Voraussetzung für die Entwicklung von Lampenflora. Stimmen alle Parameter, siedeln sich meist verschiedene Algen (Blau-, Grün, Kieselalgen) als Erstbewuchs an, z.B. Hüllenblaualgen-(Gloeocapsa-) Arten. Später folgen Moos-Arten, wie das Brunnenlebermoos Marchantia polymorpha, und Farn-Arten, wie der Braunstielige Streifenfarn Asplenium trichomanes oder der Gewöhnliche Frauenhaarfarn Adiantum capillus-veneris.

Gedeiht im elektrischen Licht der beleuchteten Schautafel: Dieses Moos an der Decke des ehemaligen Bleierzbergwerks „Grube Wohlfahrt“ in Rescheid/Eifel.

Ganze „Höhlengärten“ sind unter anderem aus der steirischen Lurgrotte, aus den Rübelandhöhlen im Harz, aus den Beatushöhlen am Thunersee und aus französischen Höhlen bekannt. Friedrich Morton, österreichischer Höhlenforscher, berichtet 1952: „Einen ganz besonders schönen Fall konnte ich in den Adelsberger Grotten beobachten. Im Monte Calvario, dort, wo die Grottenbahn ihr Ende hat, erhebt sich, 1700 m vom Eingang entfernt, ein 4 m hoher Stalagmit, dessen Scheitel eine elektrische Lampe trägt. Diese Lampe brannte durchschnittlich 500 Stunden im Jahr. Rings um die Lampe hatte sich ein frischgrüner, bezaubernd wirkender „Garten" angesiedelt. Neben Farnprothallien fand ich drei Moosarten, von denen zwei eine Höhlenform ausgebildet hatten.“

Großflächige Lampenflora ist allerdings in Schauhöhlen nicht unbedingt erwünscht. Hohe Beleuchtungsstärke und große Besucherströme fördern die Entwicklung der Pflanzen. Wenn dabei Tropfsteinformationen großflächig überwachsen werden, führt das zu einer negativen Veränderung des Höhleneindrucks. Absolut unerwünscht ist Lampenflora, wenn sie Kunstwerke wie Höhlenmalereien überwächst und dabei beschädigt oder zerstört. Dies war in den 1960er Jahren der Fall bei den berühmten Wandmalereien der Höhle von Lascaux in Frankreich, wie Klaus Dobrant, deutscher Botaniker und Höhlenforscher, 1963 berichtet.

Deshalb werden Maßnahmen ergriffen, dass sich die Besiedlung von Höhlen mit Lampenflora in Grenzen hält. Die Reduktion der Beleuchtungsintensität und -dauer soll dabei im Vordergrund stehen. Hier hilft der Einsatz von LED-Lichttechnik: Man hat beobachtet, dass sich durch die fehlende Wärmeentwicklung und das veränderte Lichtspektrum die Lampenflora zurückbildet. Ist eine Entfernung der Pflanzen mit mechanischen oder chemischen Mitteln unumgänglich, soll das möglichst schonend erfolgen, ohne dass das Biotop Höhle und die Menschen, die sie besichtigen, geschädigt werden.

 

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zuletzt bearbeitet am 23.XII.2025