12. Juni 2025

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Von zwielichtigen Genossen im Reich der Doldenblütler

 Karola Dahmen

In wohl jeder Familie gibt es das eine oder andere schwarze Schaf, das für Aufregung sorgt. Auch im Pflanzenreich schaut es in kulturgeschichtlicher Hinsicht nicht anders aus. Warum auch! Die Familie der Doldenblütler (Apiaceae) ist groß: Anis, Dill, aber auch Möhre und Pastinake und so weiter gehören dazu. Den gefleckten Schierling lassen wir außen vor. Seine tödliche Wirkung steht fest und ging mit der Ermordung Sokrates‘ in die Annalen der Weltgeschichte ein. Doch es gibt noch zwei weitere Gesellen im Reich der Doldenblütler, die es im Laufe der Menschheitsgeschichte zu vielschichtigem Ruhm gebracht haben: der Fenchel einerseits und der Riesenfenchel andererseits.

Der Feuerbringer

Fangen wir mit letzterem an, dem Riesenfenchel, einer mediterranen, krautigen Pflanze mit langen gelben Blüten auf doppeldoldigen Teilblütenständen, die eine stattliche Höhe von drei Metern erreichen kann. Offiziell hat der Riesenfenchel seinen Gattungsnamen Ferula communis erst 1753 durch Carl von Linné erhalten, war aber schon in der Antike unter dem griechischen Namen Narthex bekannt gewesen. So hatte ihn zum Beispiel Theophrastos von Eresos († um 287 v. Chr.), einer der Urväter der Botanik, in seiner Causea Plantarum ausführlich beschrieben. Aber auch in der antiken Heilkunde fand er Beachtung. Setzte man die Früchte zur Linderung von Magen-Darm-Beschwerden ein, so wurden seine Stängel zum Schienen von Knochenbrüchen genutzt. Ob das Synonym des Narthex‘ für Drogenbehälter auf die toxischen Stoffe im Stängel zurückzuführen ist, kann nicht beantwortet werden, gleichwohl verwendete man sie, um wichtige Schriften vor Mäusefraß zu schützen. Sein nur langsam schwelendes Mark wiederum wurde gern als Zunder auf Reisen genutzt, womit wir beim eigentlichen Thema angelangt wären: Spielt doch der Narthex in der griechischen Mythologie eine gewichtige Rolle, die letztlich seinen zwielichtigen Ruf manifestierte. Wie es nicht anders sein sollte, fing auch hier alles mit einem Streit auf einem Fest an, dessen Folgen für alle Beteiligten weitreichend sein sollten. Es war Prometheus, der Göttervater Zeus auf einem Opferfest überlistete, sich als Opfergabe mit Knochen und Fett anstatt Fleisch zufriedenzugeben, indem er letzteres geschickt vor ihm versteckte. Zeus erbost über den Betrug, rächte sich. Er entzog den Menschen das Feuer und hielt es vor ihnen verborgen, was aber nun wiederum den aufsässigen Prometheus dazu veranlasste, jenes zu stehlen, indem er die schwelende Feuerglut in einer hohlen Fenchelstange versteckte und zu den Menschen brachte.

Für ihn selbst ging die Geschichte weniger gut aus: Er wurde an einen Felsen gekettet, wo ihm ein Adler bei lebendigem Leib die Leber zerfetzte. Und der Narthex? Sein Ruf ist seitdem untrennbar mit diesem Betrug verbunden.

Übers Ohr gehauen

Ein weiterer Doldenblütler, der im Laufe der Geschichte eine etwas zwielichtige Karriere hinzulegen vermochte, ist der Fenchel. Bei den alten Griechen bestens bekannt unter dem Namen Marathon, erfolgte seine Erstbeschreibung unter dem Gattungsnamen Foeniculum vulgare erst 1768 in Philip Millers Garderners Dictionary. Die ursprünglich im Mittelmeerraum ansässige krautige Pflanze kennen wir heute in drei Varietäten: als Wildfenchel, Gartenfenchel und Knollenfenchel. Doch konzentrieren wir uns auf den Wildfenchel, dessen bitter, leicht pfeffrig schmeckende Früchte nicht nur in der Heilmedizin genutzt wurden.

Auch so manch ein Wirt wusste sich seiner zu bedienen, indem er sie ins Essen gab. Der ranzige Geschmack so mancher Speise konnte damit ebenso kaschiert werden wie das Kredenzen von billigem Fusel. Der Gast schmeckte nichts heraus. Seine Geschmacksknospen waren betäubt, was dazu führte, dass man im Italien des 18. Jahrhunderts den Begriff infinocchiare prägte, was wörtlich „Fenchel zugeben“ heißt, aber im übertragenen Sinne „über das Ohr hauen“ meint. Na, dann mal Prosit!

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zuletzt bearbeitet am 1.VII.2025