26. Juni 2025
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Blume des Jahres: Das Sumpf-Blutauge
Joachim Schmitz
Seit 1980 kürt die Loki-Schmidt-Stiftung jedes Jahr eine Blume des Jahres. Dieses Jahr fiel die Wahl auf das Sumpf-Blutauge (Comarum palustre). Waren es anfangs einzelne bedrohte Arten, wurden in den letzten Jahren Pflanzen ausgewählt, die stellvertretend für ganze Biotope stehen, die im Rückgang begriffen sind. Beim Sumpf-Blutauge sind das Moore. Ökologisch sind Moore definiert als Torf bildende Biotope. Torf ist abgestorbenes Pflanzenmaterial, das ins Wasser sinkt, dadurch unter Luftabschluss gerät und nicht weiter zersetzt wird.
Das Sumpf-Blutauge ist spezialisiert auf Zwischenmoore. Das sind Moore, die ökologisch zwischen Hoch- und Flachmooren stehen. Hochmoore werden ausschließlich durch Wasser aus Niederschlägen gespeist, weshalb sie extrem arm an gelösten Mineralien sind. Die wenigen Blütenpflanzen, die hier vorkommen, haben eigene Strategien zum Ausgleich dieses Mangels entwickelt. Oft leben sie in Symbiose mit Bodenpilzen (Mykorrhiza), die ihnen helfen, die wenigen Mineralien im Boden aufzuschließen. Manche haben sich auch darauf verlegt, Insekten zu fangen und aus diesen die benötigten Nährstoffe zu gewinnen.
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Wenn man Verlandungsgesellschaften nährstoffreicherer Gewässer wie Schilfröhrichte, Großseggenriede usw. ausblendet, werden Flachmoore aus Quellen aus dem Grundwasser gespeist. Sie sind immer noch arm an gelösten Mineralien aber deutlich nährstoffreicher als Hochmoore. Zwischenmoore stehen jetzt irgendwie dazwischen. Im typischen Fall bilden sie das sogenannte Lagg am Rande eines Hochmoors. Das findet man heute noch an kleineren Maaren in der Südeifel. Die sind verlandet. In der Mitte hat sich ein Hochmoor entwickelt. Im Wassergraben drumherum wächst dann das Sumpf-Blutauge und die noch bezeichnendere, allerdings auch viel seltenere Faden-Segge (Carex lasiocarpa).
In der Nordeifel kommt die Art ausschließlich im Hohen Venn vor. Das Hochmoor hat sich hier nicht aus einem verlandeten See entwickelt sondern ist flächenhaft in Hochlagen des Mittelgebirges entstanden. Dies geschah im sogenannten Atlantikum vor acht- bis zehntausend Jahren. Damals war das Klima so warm und niederschlagsreich, dass die vorher bestehenden Wälder vom Hochmoor verdrängt wurden. Deshalb gibt es im Hohen Venn keine Laggs. Dafür treten aus dem Moor viele kleine Wasserläufe aus, die eine ähnliche Wasserqualität haben wie Zwischenmoore. Hier wächst das Sumpf-Blutauge im Venn. Talwärts vereinigen sich die Rinnsale zu immer größeren Bächen, die schließlich Flüsse bilden wie Weser, Kall und Rur.
Moore sind nicht nur ökologisch wertvolle Biotope. Da abgestorbene Pflanzenteile nicht zersetzt werden, binden sie jede Menge Kohlendioxid. Dieser Aspekt gewinnt in Zeiten des Klimawandels zunehmend an Bedeutung.
Das Sumpf-Blutauge ist ein typisches Rosengewächs. Mit den gefiederten Blättern, fünfzähligen Blüten mit zusätzlichem Außenkelch und einer Sammelfrucht aus zahlreichen Nüsschen ähnelt es besonders Fingerkräutern der Gattung Potentilla. Ungewöhnlich ist allerdings die große Zahl der Nüsschen (200-450). Nach der Blüte wachsen die Kelchblätter weiter, wobei sie sich nach innen klappen und so die Frucht einschließen. Außerdem schwillt der Blütenboden an. Wegen dieses Merkmals hat Linné eigens die Gattung Comarum aufgestellt. Die meisten deutschen Floren folgen dem. HEGI (Illustrierte Flora von Mitteleuropa) und Wikipedia ziehen die Art zu den Fingerkräutern und nennen sie Potentilla palustris.
Ungewöhnlich ist auch die sehr dunkelrote Blütenfarbe. Das hat der Art den Namen Blutauge eingetragen. Irgendwelche magischen Vorstellungen im Volksglauben sind aber nicht bekannt. Die krautigen Teile der Pflanze wurden in der russischen Volksheilkunde bei Rheuma sowie als Mittel zur Blutstillung und Wundheilung verwendet.
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zuletzt bearbeitet am 1.VII.2025