24.Mai 2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Gartensalbei: Warum die Heilpflanze auch in Kaiser Karls Garten steht

Ruth Gestrich-Schmitz

Der Gartensalbei (Salvia officinalis) hat unter den Kräutern einen besonderen Ruf. Lange Zeit galt der Salbei als die Heilpflanze schlechthin. Darauf deutet schon ihr botanischer Name salvia (lateinisch salvus für heil, gesund) hin. Im Römischen Reich genoss der Salbei hohes Ansehen als wertvolle Medizinalpflanze mit blutstillender und harntreibender Wirkung, Dioskorides und Plinius preisen seine Heilkraft.

In der Pflanzenliste des Capitulare de villis Karls des Großen findet man den Salbei unter dem Namen salviam an fünfter Stelle. In karolingischen Torfablagerungen unweit von Aachen konnten Pollenkörner vom Salvia-Pollentyp bestimmt werden, die entweder vom Gartensalbei oder vom Wiesensalbei stammen.

Walahfrid Strabo (809-849) nennt den Salbei in seinem „Hortulus“ an erster Stelle: „Leuchtend blühet Salbei ganz vorn am Eingang des Gartens,/Süß von Geruch, voll wirkender Kräfte und heilsam zu trinken./ Manche Gebresten der Menschen zu heilen, erwies sie sich nützlich,/ Ewig in grünender Jugend zu stehen, hat sie dadurch verdienet.“

Der Gartensalbei ist ein bis zu 70 Zentimeter hoher, stark verzweigter Halbstrauch aus der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae) mit meist hellvioletten typischen Lippenblüten (Blütezeit Mai – Juli). Die für den Gartensalbei charakteristischen samtig graufilzigen, wintergrünen Blätter, an deren Basis sich oft kleine Seitenfiedern, „Öhrchen“, finden, enthalten ätherisches Öl, Gerbstoffe, Bitterstoffe und Flavonoide. Diese Inhaltsstoffe sind für die schweiß- und milchsekretionshemmenden wie auch für die adstringierenden (zusammenziehenden), entzündungshemmenden und desinfizierenden Eigenschaften des Gartensalbeis verantwortlich: Salbei eignet sich hervorragend zur Behandlung von Entzündungen im Mund- und Rachenraum, wirkt beruhigend auf Magen und Darm und hilft gegen zu starke Schweißabsonderung. Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) empfahl Salbei zudem gegen Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen. Und zur Stärkung der Nerven, bei Infekten der Atemwege, zur Menstruationsförderung, bei Schwäche, Epilepsie und Schlaganfällen wurde Salbei eingesetzt.

Im Mittelalter wurden dem Gartensalbei auch magische Kräfte zugeschrieben: Er sollte gegen Dämonen und bei Liebeszaubern helfen. Etwa ab dem 15. Jh. wurde er auch für kosmetische Zwecke empfohlen: Mit Salbeiblättern konnten Haare grau bis schwarz gefärbt werden. Wichtig war dies wohl vor allem für rothaarige Frauen, die im Ruf standen, Hexen zu sein. Viele hundert Jahre lang rieb man sich mit Salbei die Zähne ab, auf Grund der desinfizierenden Wirkung ein guter Zahnbürstenersatz. Laut Hieronymus Bock (1498-1554) ist Salbei zudem prima für ein frisches Mundgefühl: „Salbey im Mund gekäuet, macht einen guten Atem.“

Wie ein Schlagbaum
Doch auch als Gewürz ist er schon im römischen Kochbuch des Apicius erwähnt und wird auch heute gerne als Würzpflanze genutzt: Saltimbocca alla romana ist ein klassisches Gericht mit Kalbfleisch, luftgetrocknetem Schinken und Salbeiblättern. Wer es schnell und einfach liebt, kocht Nudeln und gibt kurz in Butter oder Olivenöl angebratene Salbeiblätter darüber. „Salveküchle“, in Teig ausgebackene Salbeiblätter, sind vor allem eine in Süddeutschland und in der Schweiz bekannte Spezialität. Auch als Würze für Suppen wie die Hamburger Aalsuppe und für Kräuterdips wird Salbei verwendet.

Etwas Besonderes ist beim Salbei die Bestäubung der Blüte mit Hilfe des „Schlagbaummechanismus`“: Betrachtet man die aus einer Ober- und einer Unterlippe bestehenden Blüte, so erkennt man zwei langgezogene Staubblätter unter der Oberlippe. Darüber ragt der Griffel mit seinen beiden noch geschlossenen Narbenästen vorne aus der Oberlippe heraus. Taucht eine Hummel oder eine Biene in die Blüte um Nektar zu sammeln, stößt sie am Grunde der Staubfäden gegen eine Platte. Damit wird der Hebelmechanismus in Gang gesetzt: Die Staubblätter senken sich herab und der Blütenstaub wird auf dem pelzigen Hinterleib des Insekts abgestreift. Besucht die Hummel oder Biene dann eine andere Salbeiblüte, deren Narbenäste bereits gespreizt sind, bleibt der zuvor gesammelte Pollen an diesen hängen. Auf diese Weise sorgt die Blüte dafür, dass sie nur mit dem Pollen einer anderen Blüte und nicht mit ihrem eigenen bestäubt wird. Besonders gut ausgeprägt ist der Schlagbaummechanismus beim Wiesensalbei (Salvia pratense).

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zuletzt bearbeitet am 24.V.2012