13. April 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Das Bischofsmützchen ist der Pilz des Jahres 2023

 Joachim Schmitz

Dieses Jahr ist ein in mehrfacher Hinsicht sehr ungewöhnlicher Pilz auf den Schild gehoben worden. Das geht schon damit los, dass die Art zu den Schlauchpilzen (Ascomycota) gehört, von denen nur wenige Arten Fruchtkörper erzeugen, die so groß sind, dass sie mit bloßem Auge erkennbar sind. Bekannte mikroskopisch kleine Schlauchpilze sind z.B. Pinselschimmel (Penicillium) und Bierhefe (Saccharomyces cerevisiae).

Der in den Medien verbreitete Name ist Sumpf-Haubenpilz. Wissenschaftlich heißt die Art Mitrula paludosa. Mitrula ist die lateinische Verkleinerungsform zu Mitra = Bischofsmütze, deshalb ist die wörtliche Übersetzung Bischofsmützchen. Paludosa kommt von palus = Sumpf, See, Fluss, hat also irgendwas mit nass zu tun.

Lange Zeit wurde die Art zur Familie der Erdzungen (Geoglossaceae) gerechnet. Der Fruchtkörper ist in einen Stiel und einen sporenbildenden Teil differenziert. Der sieht aber nicht hut- oder schirmartig aus, sondern legt sich wulstförmig um den Stiel. Nach heutiger Auffassung begründet das Bischofsmützchen (wie ganz früher schon mal) die eigene Familie Mitrulaceae.

Der Pilz wird zwar kaum über 2cm groß. Er fällt aber trotzdem durch seine Färbung auf. Auf einem weißen Stiel thront das leuchtend gelborange „Häubchen“. Außerdem tritt er meistens gesellig auf, so dass die orangen Pünktchen auf dem Boden kaum zu übersehen sind.

Auch die Ökologie ist sehr speziell. Die Art bevorzugt nasse, moorige Biotope, in denen die Fruchtkörper schon im Frühsommer erscheinen. Ich selbst habe die Art nur zweimal in der Eifel gefunden. Die erste Stelle war ein Bruchwald an der Wehebachtalsperre, der in der Schutzzone um den See liegt und deshalb heute nicht mehr zugänglich ist. Die zweite war ebenfalls ein Bruchwald, diesmal an der Vicht zwischen Dreilägerbachtalsperre und Rott. Das ist übrigens ganz knapp vor der Stelle, wo der Wasserverband Eifel-Rur ein neues Regenrückhaltebecken anlegen will.

Bruchwälder werden von Laien oft mit Auwäldern in einen Topf geworden. Der Boden ist halt nass. Auwälder werden ein- oder mehrfach im Jahr überschwemmt, wurzeln aber noch über der Grundwasserlinie. Bruchwälder stehen dagegen dauernd mit den Füßen im Wasser. Absterbendes Pflanzenmaterial gerät dadurch unter Luftabschluss und wird letztlich zu Torf. Im Gegensatz zum Hochmoortorf besteht dieser aber nicht aus Moosresten sondern stammt überwiegend von Binsen, Sauer- und Süßgräsern.

Wie baumfreie Moore gehören Bruchwälder also zur torfbildenden Vegetation. Damit binden sie organischen Kohlenstoff, der so nicht als Treibhausgas CO2 in die Atmosphäre entweicht und den Klimawandel befördert.

Das Bild zeigt den Pilz etwa in der doppelten natürlichen Größe.

Bruchwälder müssen früher ziemlich häufig gewesen sein. Das kann man an zahlreichen Orts-, Flur- und Straßenbezeichnungen ablesen, die irgendwas mit Bruch heißen oder mundartlich Broch, Broich, Broek usw. Die Allermeisten sind entwässert und in Forste oder durch Rodung in Grünland umgewandelt worden. So gehören Bruchwälder heute zu den seltensten Biotopen.

Deshalb ist auch das Bischofsmützchen ziemlich selten. Es gehörte schon immer Glück dazu, die Art zu finden. Jetzt ist es bedroht und wird in der Roten Liste Nordrhein-Westfalen als stark gefährdet (Stufe 2) eingestuft. Es ist also noch nicht unmittelbar vom Aussterben bedroht, das wäre Stufe 1, aber eben knapp davor.

 

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zuletzt bearbeitet am 9.V.2023