5. Mai 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Gefüllt oder nicht gefüllt ist überlebenswichtig

 Astrid von Reis

Mamertus, Pankratius (heute), Servatius, Bonifatius, und dann endlich sind mit dem Namenstag der heiligen Sophia von Rom, besser bekannt als die Kalte Sophie, die Eisheiligen am 15. Mai vorbei. Nach den mittelalterlichen Bauernregeln wie „Oft hat Sophie Frost gebracht und manche Pflanze totgemacht“ gibt es danach keine Fröste mehr und die Saat kann ausgebracht und empfindliche, vorgezogene Pflanzen ausgepflanzt werden.

Tatsächlich herrscht danach auch Hochkonjunktur in den Gärtnereien oder Gartencentern. Neben Gemüsepflanzen werden nun Pflanzen für Balkon, Terrasse und Garten für den Spätfrühling, Sommer und Herbst angeboten. Herrlich, diese Blütenpracht! Doch Achtung: Wem es wichtig ist, dass nicht nur unser Auge sondern auch die Insekten etwas von diesem Angebot haben, sollte zu Pflanzen mit Blüten greifen, die beides bieten. Beides meint, dass sie hübsch anzusehen sind als auch Nahrung bieten für Wildbienen, Hummeln, Käfer, Fliegen, Wanzen, Schmetterlinge und viele mehr. Nahrung, in Form von vor allem eiweißreichem Pollen und kohlenhydrathaltigem Nektar.

Hier ist es also wichtig, bei der Sortenauswahl genau hinzuschauen. So gibt es viele Pflanzen, deren Blüte „gefüllt“ und damit „auf bombastisch“ für das Auge gezüchtet wurde. Hierbei mutieren die Staubblätter, seltener auch die Fruchtblätter, in Kronblätter, also reine Schauorgane, gemeinhin auch als Blütenblätter bezeichnet. Damit sind die „gefüllten“ Blüten allerdings leider eine Mogelpackung für die Insekten. Da die Signalwirkung bei den gefüllten Blüten bleibt oder sogar noch stärker wird, werden die Insekten angelockt. Können diese überhaupt noch durch die vielen, dicht stehenden Kronblätter ins Innere der Blüte gelangen, finden sie in der Regel keine Staubblätter mit Pollen und auch keine Nektarien (nektarproduzierende Organe) vor. Also keine Nahrung – ein hoher Energieaufwand für nichts, eine „optische Werbekampagne“ für ein hohles Versprechen, eine Niete oder wie die Engländer sagen: Beschiss („Crappy flowers“). Und, diesen Blüten fehlen die Staub- und Fruchtblätter, also die Fortpflanzungsorgane, sie sind steril und können folglich keine Früchte, Nahrung für weitere Lebewesen, ausbilden.

Viele beliebte Pflanzen sind auf „gefüllte Blüten“ hin gezüchtet worden. Dazu gehören Pelargonien (besser bekannt als Geranien), Rosen, Akelei, Nelken, Pfingstrosen, Dahlien, Sonnenblumen, Gänseblümchen, Ringelblumen und viele mehr.

Manchmal sind Pflanzen mit „gefüllten“ Blüten gekennzeichnet. Dann steht neben dem lateinischen Artnamen „fl.pl.“, das heißt „flore pleno“ und bedeutet „mit voller Blüte“. Einfach ist es auch, wenn der Sortenname darauf hinweist. So beispielsweise bei der in der Insektenwelt beliebten heimischen Vogelkirsche (Prunus avium). Die gezüchtete Sorte mit gefüllten Blüten heißt Prunus avium ‚Plena‘, die Gefülltblühende Vogelkirsche. Schwierig wird es, wenn im Namen kein entsprechender Hinweis ist, da braucht es die Hilfe von Fachkräften. Am besten, es wird selbst gesät. Die Samentüte ist meist gut gekennzeichnet und dazu kommt, dass man sicher sein kann, dass an den Pflanzen keine Pestizide sind.

Möchte man nicht ganz auf sterile Pflanzen mit gefüllten Blüten verzichten, ist vielleicht ein Kompromiss möglich. So kann beispielsweise neben einer gefüllten „David Austin“ Rose eine ungefüllte Rose „Sweet Pretty“ oder „Fortuna“ stehen und dazwischen Lavendel, auch noch gut gegen Mehltau. Oder im Kübel oder Kasten neben einer gefüllten eine ungefüllte Pelargonie und dazwischen Kräuter wie Thymian und Oregano. Oder in der einen Ecke des Gartens Ponpondahlien und daneben ungefüllte! Sonnenblumen, Herbstastern und Katzenminze, Margeriten, Glockenblumen, Löwenmäulchen, Cosmea (Schmuckkörbchen), Malven, viele Kräuter, Fetthennen und Kletterpflanzen wie Wildrosen, Geißblatt – es gibt so viel, wo sich nicht nur die Insekten drüber freuen. Das Optimum für das Insektenüberleben schlechthin: eine einheimische, formenvielfältige Wildblumenwiese.

 

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zuletzt bearbeitet am 8.VI.2022