5. März 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Frühlingsboten auf Sand und Fels

 Joachim Schmitz

Es gibt drei Gruppen von heimischen Pflanzen, die besonders früh blühen. Das sind zum einen windbestäubte Gehölze. Die müssen früh blühen, damit der Pollenflug nicht behindert wird. Die zweite Gruppe sind die Pflanzen im Unterwuchs von Laubwäldern. Die ziehen sogar ihre ganze Vegetationsperiode im Frühjahr im Eiltempo durch, bevor sie vom Laubaustrieb der Bäume völlig beschattet werden. Hierzu gehören z.B. Schneeglöckchen, Scharboclskraut, Anemonen, diverse Veilchen oder Lerchensporn.

Die Arten der dritten Gruppe blühen meist unspektakulär. Sie wachsen auf Sand und Felsböden mit extrem geringer Humusauflage. Hier diktiert nicht die Winterkälte sondern die Sommertrockenheit die Vegetationsruhe. Dementsprechend treiben sie im Herbst aus, überwintern als Jungpflanzen, blühen dann sehr früh und sind im Sommer eingezogen bzw. bei Einjährigen abgestorben. Da wundert es nicht, dass die meisten Arten ziemlich kleinwüchsig sind und oft nur einige Zentimeter groß werden.

Ein typisches Beispiel ist das Frühlings-Hungerblümchen (Draba verna, früher Erophila verna). Der an den gespaltenen Blütenblättern leicht zu erkennende Kreuzblütler hat seine Vorkommen auch auf vom Menschen geschaffene künstliche Felsen wie Mauerkronen, flachgründigen Straßenbanketts und ähnliche Standorte ausgedehnt. Dadurch ist die Art zum Kulturfolger geworden und viel häufiger als die meisten anderen Arten solcher Standorte.

Das hat der Frühe Nelkenhafer (Aira praecox) nicht geschafft. Dieses winzige einjährige Gras kommt auf einigen Sandflächen am Niederrhein und in den Niederlanden vor, z.B. in der Brunssumer Heide. In der Rureifel besiedelt es auch die Köpfe der Buntsandsteinfelsen. Das sind leider auch die Flächen, die oft von Touristen betreten werden, die aber dafür kein Auge haben. Der Nelkenhafer begründet eine eigene Gesellschaft, das Airetum praecocis.

Zahlreiche Nelkengewächse haben sich auf solche Biotope spezialisiert wie diverse Hornkrautarten (Cerastium spec.), Spark (Spergula pentandra und morisonii) und die Doldige Spurre (Holosteum umbellatum). Letztere Art kam noch lange am Aachener Lousberg vor, der vor der Umgestaltung zum Landschaftspark schlicht eine Schafweide war.

Eine der wenigen auffälligen Blütenpflanzen ist der Felsen-Goldstern (Gagea bohemica), ein Liliengewächs, das botanisch auch nach den vielen Umstellungen der vergangenen Jahre bei den Liliengewächsen im strengsten Sinne geblieben ist. Um den Felsen-Goldstern zu sehen, muss man allerdings schon ziemlich weit nach Süden fahren. Die nördlichsten Vorkommen befinden sich auf ein paar Felsen an der Untermosel zwischen Cochem und Treis-Karden. Anscheinend ist die Art nicht einmal besonders trittempfindlich; sie kommt auch unmittelbar um die Wanderhütten vor, von denen man an der Untermosel die Aussicht genießen kann. Offensichtlich sind nur die klimatischen Ansprüche entscheidend. Auch der Felsen-Goldstern begründet eine eigene Gesellschaft, die allerdings eher kontinental verbreitet ist und an der Mosel den Nordwestrand seiner Verbreitung erreicht.

Der Felsen-Goldstern blüht schon im März.

Eine ganz andere Strategie verfolgen die Dickblattgewächse der Familie Crassulaceae. Sie haben dickfleischige Blätter, die viel Wasser speichern können und durch eine dicke Wachsschicht gegen Verdunstung geschützt sind. Außerdem ist ihr Stoffwechsel speziell angepasst. Sie machen tagsüber die Spaltöffnungen dicht und speichern die Lichtenergie in einem chemischen Zwischenprodukt, nachts machen sie die Spaltöffnungen auf, nehmen Kohlenstoffdioxid auf und verarbeiten es mit der tagsüber aufgenommenen Energie zu Zucker. Dazu gehören z.B. Fetthennen der Gattung Sedum oder Hauswurze der Gattung Sempervivum. Deswegen können es sich diese Pflanzen auch leisten, wesentlich später zu blühen.

 

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zuletzt bearbeitet am 27.III.2020