27. Febr. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


In der Fastenzeit wurden Ente und Biber zum Fisch

 Karl Josef Strank

Die zahlreichen kleinen und großen Gewässer der Mecklenburger Seenplatte sind nach der letzten Eiszeit beim Zurückweichen der Gletscher auf natürliche Weise entstanden. An vielen Stellen entlang von Flüssen und Bächen verteilt in ganz Deutschland gibt es aber regelrechte Teichlandschaften, die mitunter sehr alt sind und bei denen man sogleich sieht, dass hier der Mensch seine Hand im Spiel hatte.

Im Mittelalter wurden viele Teiche und Gräben angelegt, um die Wasserkraft zu nutzen. Teiche dienten auch als Tränken für das Vieh und als Löschwasserspeicher. Ich kenne sie noch aus meiner Jugend als immer weiter verlandende Wasserlöcher, den Sommer über mit reichlich Entengrütze bedeckt, über denen an heißen Sommerabenden die Mücken tanzten. Im Zuge des Baus von Wasserleitungen und Kanalisation in den Kommunen sind sie inzwischen fast überall verschwunden. Diese dörflichen Biotope sorgten aber für eine Vielfalt ruderaler Strukturen und boten den Lebensraum für viele Insekten, Lurch-, Kriechtiere und Vögel.

Das Anlegen künstlicher Teiche zum Zweck der Zucht von Süßwasserfischen ist als römisches Erbe auf uns übergekommen. Natürlich haben die Menschen schon immer die natürlichen Ressourcen genutzt und Salzwasser- wie auch Süßwasserfische gefangen. Die planvolle Bewirtschaftung von Teichen geht aber darüber hinaus und ist als spezieller Teil der Tierzucht Bestandteil der Landwirtschaft. Die mittelhochdeutschen Bezeichnungen vischgruobe und vischweide (latein. piscinae, segeriae) bestärken diese Einordnung. Die Teichwirtschaft kann als klassischer Zweig und Ursprung der heutigen technisch ausgeklügelten Aquakultur bezeichnet werden.

Die tatkräftige Mitwirkung von Mönchen in den Klöstern bewahrte die römische Errungenschaft der Teichwirtschaft vor dem Vergessen. Sie tradierten die übernommenen Strukturen, entwickelten diese aber durch das intensive Studium der Vorgänge eines Fischlebens auch weiter. Wurden die Fische anfangs in einfachen Teichen gehältert, erarbeitete man daraus bis ins späte Mittelalter einen geregelten Zuchtbetrieb mit einer Abfolge von Teichen, angefangen von Streichteichen zum Ablaichen, Brutvorstreckteichen, Streckteichen und Abwachsteichen, in denen die Fische schließlich geerntet wurden.

Weil im Mittelalter der Fischpreis etwa doppelt so hoch war wie der von Rindfleisch, wuchs die Bedeutung der Teichwirtschaft. Geistliche und weltliche Grundherren, später auch Städte und Dörfer, Bürger und Bauern bauten, wo immer es Wasser- und Bodenverhältnisse zuließen, Teiche. Seine Blüte erreichte der Teichbau zwischen 1350 und 1500. Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges beendeten den Boom und der Niedergang hielt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts an. Ein Aufschwung setzte erst nach Ende des zweiten Weltkrieges wieder ein.

Klöster fördern die Fischzucht

Motor der florierenden Fischzucht waren die Fastenregeln der Kirche, denn an gut 100 Tagen im Jahr durfte kein Fleisch gegessen werden. Die vielen Fastentage gaben der Fischzucht für die Klöster eine besondere Bedeutung. Das Zisterzienserkloster Reinfeld in Holstein besaß 61 Fischteiche, das Kloster Waldsassen in Bayern sogar 161. Im ausgehenden Mittelalter gab es in Deutschland etwa drei- bis viermal so viele Fischteiche wie heute. In der Umgebung von Waldsassen in der Oberpfalz gibt es noch heute eine ausgedehnte Teichlandschaft.

In großen Teichen mit stehendem Wasser zogen die Mönche Karpfen, Schleie, Hecht und Zander. Die Forelle benötigt fließendes Wasser, weil sie als Charakterart schnell fließender, gebirgiger Bäche und Flüsse viel Sauerstoff braucht. Trotz bester Versorgung mit Fischen schmachteten einige Mönche dennoch nach gebratenem Fleisch und so waren sie sehr erfinderisch, andere Wassertiere zu Fischen zu erklären. Enten wurden über die „fischigen“ Entenmuscheln, aus denen sie angeblich entstehen sollten, zur Fastenspeise. Beim Biber musste die Kelle wegen des schuppigen und fischartigen Aussehens als Erklärung herhalten. Heute könnte die Fischzucht in Teichen bei anhaltender Überfischung der Meere und der notwendigen Diversifizierung in der Landwirtschaft erneut einen großen Aufschwung nehmen.

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 27.III.2020