5. Sept. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Besenheide – Blume des Jahres 2019

 Christina Paulson

 

Alljährlich im Spätsommer verwandelt die „Blume des Jahres 2019“, die Besenheide – im Volksmund „Erika“ genannt – unsere Heidelandschaften in ein atemberaubendes rosa-violettes Blütenmeer, das tausende Insekten anlockt. Von den zwittrigen Blüten des Heidekrauts, die in einem dichten, traubigen Blütenstand stehen, leben neben Wildbienen und etlichen Käferarten auch seltene Schmetterlinge bzw. deren Raupen wie der Argus-Bläuling, das Kleine Nachtpfauenauge, die Heidekraut-Bunteule, der grüne Moorheidenspanner oder der Komma-Dickkopffalter.

Die „Loki Schmidt Stiftung“ kürte die Besenheide (Calluna vulgaris), die Charakterpflanze der mitteleuropäischen Heidelandschaften, aus der Familie der Besenheide-Gewächse (Ericaceae) zur diesjährigen Blume des Jahres und rief damit die Aktion „Überleben Heide“ ins Leben. Die Stiftung war 1979 von der Botanikerin Loki Schmidt, der Ehefrau des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, als „Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen und Stiftung Naturschutz Hamburg“ gegründet und nach dem Tod der Gründerin im Jahr 2010 zu ihren Ehren umbenannt worden. Einer der Hauptzwecke dieser Organisation ist es, mit der Wahl der „Blume des Jahres“ über den ökologischen Wert von Wildblumen und ihrer Lebensräume zu informieren und so zu deren besserem Schutz beizutragen.

Lebensräume des säurezeigenden Heidekrauts sind auch bodensaure Moore, Dünen und lichte Wälder. Es ist ein anspruchsloser Zwergstrauch, der zum Keimen unbewachsenen, humusfreien Rohboden braucht. Viele kennen die Besenheide aus dem Blumentopf oder als einen knöchelhohen, circa 30 Zentimeter hohen Strauch. Bei ungestörter Entwicklung kann die Pflanze 40 Jahre alt werden und bis zu einem Meter hochwachsen. Die Blütezeit der Besenheide reicht von Mitte August bis Anfang Oktober. Ihr Name leitet sich von der früheren Verwendung ihrer Zweige für die Besenherstellung ab.

Bis zum Mittelalter waren die Gebiete der heutigen Heidelandschaften über Jahrhunderte wegen der mageren Böden nur dünn oder gar nicht besiedelt und von verschiedenen Waldgesellschaften, wie z.B. bodensauren Buchenwäldern und lichten Eichen-Kiefern-Birkenwäldern geprägt. Im Mittelalter holzten die Menschen im Zuge des Bevölkerungswachstums auch solche Wälder auf unfruchtbaren Böden mittels Brandrodung ab und nutzten die Gebiete als Weideland.

Außerdem gewannen sie mittels „Plaggenhieb“ bzw. „Schiffelwirtschaft“ Einstreu für die Ställe. Hierbei wird der Rohboden völlig freigelegt, und in der Folge siedeln sich lückige Pioniergesellschaften an. Diese Flächen wurden bis ins 19. Jahrhundert extensiv beweidet und so von nennenswertem Gehölzaufwuchs freigehalten. Insofern versteht man das Wort „Heide“: es ist aus dem germanischen Wort „Kait“ abgeleitet und bedeutete unbebautes Land. Im Althochdeutschen entwickelte sich das Wort zu „Heida“ und schließlich zu „Heide“. Die berühmteste Heidelandschaft in Deutschland ist wohl die Lüneburger Heide, die zur Blütezeit der Besenheide im August/September Tausende Besucher anlockt.

In einigen Heidegebieten kamen in der Neuzeit militärische Nutzungsansprüche an dieses sogenannte „Ödland“ hinzu. Z.B. dienten Teile der „Wahner Heide“ im Osten von Köln ab circa 1800 dem Militär über 200 Jahre zu Manöver- und Übungszwecken. Die militärischen Einsätze bewirkten – wie die vorherige extensive Weide-Nutzung –, dass Gehölze zurückgedrängt und nährstoffarme Offenflächen mit ihren selten gewordenen Pioniergesellschaften erhalten blieben.

Heute sind 80 Prozent der ehemaligen Heidegebiete in Europa verschwunden. Und die noch verbliebenen Heidereste können nur fortbestehen, wenn sie genutzt, also beweidet oder gemäht werden. Sonst entwickeln sich innerhalb weniger Jahrzehnte wieder Gebüsche und Wälder. Daher profitiert der Lebensraum Heide von dynamischen Prozessen wie dem Tritt von Weidetieren, Windwurf von Bäumen und kontrollierten Bränden.

Mit der Ernennung der Besenheide zur Blume des Jahres 2019 setzte die „Loki Schmidt Stiftung“ ein Zeichen für die gefährdete Kulturlandschaft „Heide“, die es durch geeignete Pflegemaßnahmen in ihrem Arten- und Strukturreichtum zu erhalten gilt.

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2020