14. Febr. 2019

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Dohlen sind alles andere als Rabeneltern

 Karl Joseph Strank

 

Ich erinnere mich noch sehr gut, dass ich als kleines Kind des Öfteren einen verwandten weißhaarigen, älteren Herrn besuchte, den ich, auch wenn er es nicht wirklich war, Opa nannte. Er saß immer vor dem Fenster in der Küche, und auf dem Tisch hüpfte eine zahme Dohle mit Namen Hansi herum, die ich dann auch schon mal füttern durfte.

Bergleute hielten gerne Vögel, zum Beispiel Tauben. Selbst arbeitsbedingt in der Enge der dunklen Schächte und Stollen gefangen, freuten sie sich an Tieren, die sich frei im Licht und in der Luft bewegen konnten. Gelegentlich waren neben den Singvögeln auch Raben und Dohlen Objekte dieser Leidenschaft für Vögel.

Dohlen sind sehr gesellige Vögel, die meist im Schwarm unterwegs sind. Dohlen sind die kleinsten unter den schwarz gefiederten Rabenvögeln. Wobei schwarz nicht ganz zutrifft, denn seitlich am Kopf, auf der Brust, dem Hinterkopf und im Nacken sind sie mit weißlich-grau glänzenden Federn bedeckt. Die Flügeldecken schimmern in der Sonne grün-blau. Sehr auffällig ist auch die Augenfarbe. Die schwarze Pupille ist von einer silbernen Iris umgeben. Noch attraktiver sind die Jungvögel, denn deren Iris ist stahlblau. Sie gehören zu den Rabenvögeln und da letztere kein gutes Image haben, färbt dieses Schicksal auch auf die Dohlen ab. Sie galten daher im Mittelalter als Unglücksvögel, die Krankheiten, Pest und den Tod brachten. In Abbildungen wurden sie folglich oft zusammen mit Hexen dargestellt.

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz hatte in den frühen Jahren eine Dohle, die er Tschok nannte. Intensiv studierte er deren Verhalten. Er entdeckte, dass Dohlen in der Gruppe eine strenge Rangordnung haben, was für das Zusammenleben eine sinnvolle Einrichtung ist. Das gewährt ranghohen Vögeln mehr Rechte, führt aber im Gegenzug auch zu mehr Pflichten. Chef im Ring ist dabei nicht der stärkste und waghalsigste Vogel, sondern der erfahrenste.

Dohlen gehen eine lebenslange Partnerschaft ein. Weibchen erlangen automatisch den Rang ihres Männchens. Bei den Dohlen können sich so junge Weibchen, wenn sie die Gunst des Alphamännchens gewinnen, in der Tat hochheiraten.

Dohlenpaare gehen liebevoll miteinander um und machen gerne alles gleichzeitig und gemeinsam: putzen, fliegen, hüpfen, Nistmaterial sammeln. Als Eltern sind sie fürsorglich und aufopfernd, also das Gegenteil von Rabeneltern. Sie brüten nur einmal im Jahr. Von vier bis sechs Nestlingen wird oft nur einer erwachsen.

Dohlen nisten in Kirchtürmen, Mauernischen, Dachstühlen, Schächten und Kaminen. An der Küste nehmen sie in Dünen verlassene Kaninchenbauten und in Wäldern Spechthöhlen an. Wichtig sind in unmittelbarer Nähe insektenreiche Wiesen. Fehlende Nistplätze im Zuge von Haussanierungen und schwindende Insekten werden zum Problem. Waren Dohlen früher weit verbreitet, ist ihre Population in verschiedenen Regionen stark zurückgegangen – die Dohle steht sogar in einigen Bundesländern auf der Roten Liste.

Aufgrund der Brut in Kaminen fallen Jungdohlen schon mal „mit demselben ins Haus“. Lorenz schreibt, dass wenige Tierjunge so rührend hilflos und dem Pfleger so reizend anhängen wie junge Dohlen. Ihre Anhänglichkeit, lebhafte Neugier und außerordentliche Intelligenz erklären, dass ich als Kind oben erwähnten Hansi als Hausvogel erleben durfte.

Namensverwandt sind die Alpendohlen, die vielen bekannt sein dürften, als Begleiter bei Wanderungen über Almwiesen, felsige Schuttfluren und bei der Rast auf Alpenhütten. Dort umschwirren sie die Wanderer auf der Suche nach Essbarem und lassen sich auch ohne Scheu füttern. Sie sind etwas zierlicher gebaut als die Krähen, genauso schwarz im Gefieder, aber mit gelbem Schnabel.

Sie teilen sich ihren Lebensraum mit Alpenkrähen und wandern je nach Wetterlage von den Höhen in die Täler. Dort tun sie sich dann auch an Kirschen und im Herbst an Trauben gütlich. Sie brüten an unzugänglichen Orten und siedeln in Höhen zwischen 1300 bis 3000 Metern.

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zuletzt bearbeitet am 17.V.2019