8.Mai 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Am Lieblingsplatz der Feuerwanzen fühlt sich auch die Aprikose wohl

Angela Ertz

Sie waren schon vor uns da, haben Haussanierung und Gartenneuanlage schadlos überstanden und wärmen sich nach jedem Winter, egal ob mild oder kalt, vor unserem Haus in den ersten Sonnenstrahlen. Die Rede ist von einer größeren Gruppe von Feuerwanzen.

Der Name „Wanze“ löst unweigerlich ein leichtes Schaudern aus, aber warum bringen wir diesen Tieren eigentlich weniger Sympathien entgegen als zum Beispiel niedlichen Marienkäfern (gleiche rot-schwarze Färbung, ähnliche Größe, ebenfalls sechs Beine)?

Vielleicht ist es die Ahnung oder das Wissen, welche Vertreter die weitere Verwandtschaft der Feuerwanzen so umfasst. Wanzen werden je nach Systematik zu der Insektenordnung mit dem etwas altmodischen Namen „Schnabelkerfe“ gefasst. Zu dieser Ordnung gehören unter anderem auch Zikaden, aber beispielsweise auch alle Blattläuse. Dies erklärt schon einmal eine spontane Antipathie aller Pflanzenbesitzer.

Die Bezeichnung „Schnabelkerfe“ benennt ein gemeinsames Merkmal aller Arten, den schnabelartigen Rüssel, mit dem die Wanzen, je nach Art, Samen, Pflanzen oder kleine Tiere anstechen und Pflanzensaft bzw. Blut saugen. Zu diesem Zweck enthält der Rüssel eine untere Röhre zur Abgabe des Speichels und eine obere, um die flüssige Nahrung aufzusaugen. Dieser Stechrüssel wird normalerweise flach unter den Bauch geklappt und nur zum Saugen ausgeklappt. Auch die Bettwanze geistert einem bei dem Namen „Wanze“ durch den Kopf. Sie verbirgt sich tagsüber in Ritzen und hinter Tapeten und saugt nachts tatsächlich auch an Menschen Blut. Die wenigsten werden allerdings mit ihr direkte Erfahrungen gemacht haben, in Zoos soll die Bettwanze dagegen noch häufiger vorkommen. In Europa gibt es etwa 8000 Wanzenarten. Alle Wanzen erkennt man an einem dreieckigen Schildchen auf dem Rücken. Manche Arten besitzen sowohl geflügelte Individuen als auch nicht flugfähige mit verkürzten Flügeln. Feuerwanzen sind selten langflügelig, das erklärt auch ihre Ortstreue.

Einige Wanzen leben in und an Gewässern. Über Wasser sind es etwa die bekannten Wasserläufer, unter Wasser die Rückenschwimmer und Wasserwanzen und im Schlamm der durch seine scherenartigen Vorderbeine beeindruckende Wasserskorpion, dessen vermeintlicher gefährlicher „Stachel“ übrigens nur eine harmlose Atemröhre ist.

Viele Wanzen sondern gegen Fressfeinde ein stinkendes Drüsensekret ab, einige Mückenarten können dadurch räuberische Wanzen im Wasser wahrnehmen und legen ihre Eier nicht in diese Gewässerbereiche.

Wer übrigens Koriander mag, der kann diesen Wanzengeruch nicht sonderlich schlimm finden. Die beiden Gerüche sollen einander nämlich sehr ähnlich sein und verliehen dem Koriander sogar seinen Namen (von Corix = Wanze).

Zurück zu den Feuerwanzen. Sie leben gesellig in größerer Zahl am Boden oft am Fuße von Linden und in der Nähe von Malven. Zu dieser Zeit begegnen sie uns häufig als ineinander verhakte Paare, deren Köpfe in entgegengesetzte Richtungen schauen. Trotzdem bewegen sie sich fort – eine koordinatorische Meisterleistung; dabei gibt offenbar das Weibchen die Richtung vor und schleppt das Männchen zu den Orten der Eiablage mit. Die Weibchen legen im Frühjahr etwa 100 Eier in den Boden, daraus schlüpfen zunächst rote Larven, die nach einigen Häutungen bis zum Sommer ihre auffällige schwarz-rote Zeichnung mit den zwei Punkten auf dem Rücken erhalten. Die Zeichnung führte auch zum Namen Feuerwanze (oder fälschlich Feuerkäfer), eine direkte Übersetzung des wissenschaftlichen Namens Pyrrhocoris apterus.

Feuerwanzen verhalten sich im Übrigen im Garten eher neutral, sind weder für Menschen noch Tiere Schädlinge. In der Regel saugen sie an herabgefallenen Samen, zum Beispiel von Linden. Manchmal greifen sie auch andere Insekten an, sind also nahrungstechnisch recht variabel.

Durch ihre ausgeprägte Wärmeliebe weiß ich jetzt in unserem Garten immerhin, wo man auch im Aachener Westen einen optimalen Standort für einen wärmeliebenden Aprikosenbusch findet, nämlich am Lieblingsplatz der Feuerwanzen.

 

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zuletzt bearbeitet am 3.VII.2014