10. Juli 2025

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ein buschiger Strauch mit ausgefallener Haarpracht

 Karl Josef Strank

Pflanzen werden oft nach auffälligen Merkmalen benannt. Im Fall des Perückenstrauchs liegt diese namensgebende Ähnlichkeit auf der Hand. Die Fruchtstände erinnern augenscheinlich an die pompösen, aufgetakelten, weiß-grauen Perücken der Rokokozeit. Dabei ist er kein Exot aus fernen Ländern, der mit der Entdeckung Amerikas oder den Reisen nach Japan oder China in Mode gekommen ist. Schon Plinius erwähnt einen Strauch namens Cotinus, der in den Apenninen wuchs, aus dem man eine Purpurfarbe gewann. Der Artname coggygria geht auf “kokkygea“ zurück, eine Bezeichnung, die Theophrast verwendete für einen Strauch zum Rotfärben von Wolle. Heute finden sich verschiedene Zuchtformen des Perückenstrauchs in unseren Gärten und Parks. Sehr ornamental im Herbst wirken die Sorten ´Flame´ mit orangenen oder ´Grace´ mit purpurroten Blättern.

Der drei bis fünf Meter hohe Strauch oder kleine Baum ist reich verzweigt und sommergrün. Die jungen rotbraunen oder roten Zweige sind gerieft und kahl mit vielen kleinen Korkwarzen. Angeschnitten duften sie harzig. Die ältere Borke ist dunkel und kleinfeldrig. Die wechselständigen Blätter haben einen 1-2 cm langen Stiel, eine 5-8 cm lange und 3-5 cm breite elliptisch bis kreisförmige Spreite; beidseitig kahl mit oft kräftiger Herbstfärbung.

Die unscheinbaren, kleinen gelblich-grünen Blüten sind zwittrig oder eingeschlechtlich. Sie stehen in 15-20 cm langen, endständigen Rispen an jungen Trieben. Die doppelte Blütenhülle ist fünfzählig mit kürzeren Kelch- als die 1,5-3 mm langen Kronblätter. Der Fruchtknoten ist oberständig, die Staubblätter so lang wie die Krone. Die Blütenstiele strecken sich später und sind mit spreizenden Haaren bedeckt. Die asymmetrischen Steinfrüchte sind 5 mm lang und abgeplattet und enthalten einen Samen. Der Perückenstrauch blüht von Mai-Juni. Die Früchte sind im August/September reif. Nicht alle Blüten in einer Rispe werden auch bestäubt und setzen Frucht an. Deren Stiele entwickeln eine starke Behaarung, während die fruchttragenden kahl bleiben. Die Blütenstände brechen im Herbst ganz oder teilweise ab, verfilzen sich oft zu großen Bällen und rollen über den Boden, was zu einer Verbreitung durch den Wind beiträgt, wie bei „Steppenroller“ (in Western beliebtes Bildmotiv in öden, verlassenen oder Geistersiedlungen).

Systematisch gehört er zu den Sumachgewächsen (Anacardiaceae), deren Vertreter – vor allem in den Tropen beheimatet – sind immergrüne oder laubabwerfende Gehölze, die ein Gummiharz enthalten. Zur Familie gehören Nutzpflanzen wie die Pistazie, Mango und der Akaschubaum, dessen nutzbare Frucht die Cashewnuss ist.

Beheimatet ist der Perückenstrauch auf der Balkan -Halbinsel, im östlichen Mittelmeergebiet bis nach Mittelasien, zu nordwestlichen Himalaya und in Europa nördlich bis nach Südtirol und dem Tessin. Er besiedelt trockene, warme und sonnige Hänge von der Ebene bis in Gebirgslagen auf steinig, felsigem Untergrund auf kalkhaltigen, meist nährstoffreichen Böden. Da der Perückenstrauch sehr lichtbedürftig ist, findet man ihn nur in sehr lichten Laub- und Nadelwaldbeständen. In Südeuropa wächst er zusammen mit Blasenstrauch, Mannaesche, Orient-Hainbuche und Flieder. Pflanzensoziologisch ist er Charakterart des Pruno mahaleb-Cotinetums.

Blätter und Rinde des Perückenstrauchs enthalten Gerbstoffe (Tannine); entsprechend fanden sie Verwendung in der Gerberei. Aufgrund der adstringierenden Wirkung wurden die Blätter auch als blutstillendes Mittel eingesetzt. Das gold- bis grüngelbe Splintholz eignet sich für Drechselarbeiten, das Kernholz enthält den Farbstoff Fisetin und wird als sogenanntes Fisettholz in der Färberei verwendet. Zur Gewinnung von Fisettholz wurde der Perückenstrauch einst im Elsass, in Südtirol und in Ungarn angepflanzt. Es liefert für Seide bräunliche und für Wolle orange bis scharlachrote Farbtöne. Gemäß der mannigfaltigen Verwendung hat er auch viele weitere Namen wie Färbersumach, Schmack, Venezianischer, Ungarischer oder Tiroler Sumach. In ihm steckt mehr als nur der ornamentale Schmuck für unsere Gärten.

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 1.VIII.2025