30. März 2023

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Was Schlüsselblumen mit Seife zu tun haben

 Joachim Schmitz

Schlüsselblumen gehören zu den typischen Frühjahrsblühern. Daher haben sie auch ihren botanischen Namen Primula. Das setzt sich zusammen aus lat. primus <a, um> = der <die, das> Erste und der Endung -la, was eine Verkleinerungsform ist. Primula heißt also so viel wie das „Erstchen“ oder der „Erstling“. Die Hohe Schlüsselblume (Primula elatior) blühte früher im April und die Echte Schlüsselblume (P. veris) Anfang Mai. Heutzutage blühen beide oft schon zwei Wochen eher. Die Hohe Schlüsselblume wächst wild in lichten Laubwäldern, vor allem Auwäldern. Die Echte Schlüsselblume ist eine klassische Wiesenpflanze. Die Unterart columnae kommt in Süddeutschland, nördlich bis in die Südeifel, auch in wärmeliebenden Wäldern vor.

Kocht man Wurzelstöcke von Schlüsselblumen auf, erhält man einen schäumenden Sud. Nach der im Mittelalter geläufigen Signaturlehre glaubte man nicht nur, dass alle Lebewesen in einem göttlichen Schöpfungsakt entstanden sind, sondern Gott ihnen auch ein Label verpasst hat, woran man ihre Wirkung erkennen kann. Manchmal ist das schwer in die Hose gegangen wie beim Leberblümchen. Die dreilappigen Blätter haben die Leute an eine Leber erinnert und daraus gefolgert, dass die Pflanze bei Leberleiden helfen müsste. Tatsächlich ist sie aber wegen des Gehalts an Protoanemonin eine Giftpflanze. Bei der Schlüsselblume hat es aber funktioniert. Der Schaum des Wurzelsuds wurde mit dem Auswurf bei Husten und Bronchitis in Verbindung gebracht. Daraus wurde eine schleimlösende Wirkung abgeleitet. Die konnte die moderne Medizin bestätigen.

Allgemein nennt man solche schaumbildenden Stoffe Saponine nach dem lateinischen Wort sapo für Seife, weil sie eben mit Wasser seifenähnliche Schäume bilden.

Mit den klassischen Blumenwiesen ist auch die Echte Schlüsselblume selten geworden.

Das Seifenkraut (Saponaria officinalis) hat sogar seinen Namen davon. Es wurde nicht nur in der Volksmedizin bei Katarrhen der Atemwege zur Förderung des Auswurfs benutzt, es wurde tatsächlich auch als Seife zum Waschen gebraucht. Heute ist das durch die modernen synthetischen Waschmittel fast völlig vergessen. Es wird aber immer noch angewandt bei der Restaurierung empfindlicher Textilien, z.B. historischer Wandteppiche.

Chemisch sind Saponine Glykoside. Das sind komplexe Moleküle, die aus einem Zuckerbestandteil und einem alleine nicht wasserlöslichen Teil zusammengesetzt sind. Bei Saponinen sind das terpenartige Verbindungen, die nur durch die Kombination mit Zucker wasserlöslich werden und damit überhaupt erst in der Pflanze transportiert werden können. Terpene sind Kohlenwasserstoffe ähnlich Benzin oder Öl, nur dass das Kohlenstoffgrundgerüst keine Kette bildet, sondern aus mehrfach aneinandergelagerten Ringen besteht.

Beispiele für weitere saponinhaltige, in der Naturheilkunde verwendeten Arten sind Efeu (Hedera helix), Süßholz (Glycyrrhiza glabra, Lakritz!), Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), Goldrutenarten (Solidago species) und Ginseng (Panax ginseng).

Zurück zur Schlüsselblume: Ihr terpenartiger Bestandteil des Saponins ist Primulagenin A. Dazu kommem Flavonoide wie das Apigenin und weitere sekundäre Pflanzenstoffe. Genutzt wird der Wurzelstock (Primulae radix) oder der ganze Blütenstand (Primulae flos cum calycibus [Blüten mit Kelch]). Ein Tee aus den Blüten schmeckt bedeutend angenehmer als der bittere Wurzelstock. Die wilden Primeln sind geschützt. Im Zuge des Trends zur Wildblumenwiese findet man Pflanzen oder Samen der Echten Schlüsselblume aber auch immer öfter im Gartenhandel. Die Hohe Schlüsselblume, eine Waldpflanze, wird bisher nur selten im Sortiment angeboten. Von den zahlreichen weiteren Primelarten, die in Gärtnereien verkauft werden, ist keine geeignet!

 

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zuletzt bearbeitet am 2.IV.2023