24. Nov. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Von einem Flugakrobaten, der die Wärme liebt

 Veronika Bernhardt

Die Kleine Hufeisennase ist eine quirlige, zierliche Fledermausart, die absolut nachtaktiv ist und ausschließlich Insekten frisst. Wissenschaftlich beschrieben wurde Rhinolophus hipposideros schon 1792.

Aufgrund ihrer versteckten Lebensweise ist sie aber den wenigsten Menschen bekannt und einigen erscheint sie ein wenig rätselhaft bis unheimlich. Dabei sind Gruselgeschichten und Mythen über Fledermäuse, die sie als mausartige Kreaturen mit Riesenohren und zerknautschtem Gesicht beschreiben, längst überholt.

Widerlegt ist auch, dass diese Tiere etwa Tollwut übertragen können oder dass sie ihrem Opfer nachts heimlich Blut abzapfen.

Die Kleine Hufeisennase ist die kleinste der fünf europäischen Rhinolophus-Arten und mit einer Kopf-Rumpf-Länge von etwa 37-45 Millimeter – also etwa daumengroß – ein Winzling unter den Fledermäusen.

Ein erwachsenes Tier wiegt fünf bis zehn Gramm, hat aber in Relation zum kleinen Körper immerhin eine Flügel-Spannweite von etwa 19 bis 25 Zentimeter. Charakteristisch und namengebend für die Hufeisennasen ist ihr auffälliger, hufeisenförmiger, durch Hautfalten gebildeter Nasenaufsatz.

Fledermäuse sind die einzigen aktiv flugfähigen Säugetiere. Ihre Jungtiere werden zwischen Ende Juni und Anfang August geboren. Ein Junges pro Jahr wird von den Weibchen in sogenannten Wochenstuben aufgezogen. Tagsüber klammert sich das Junge am Bauch des kopfunter an der Höhlendecke hängenden Muttertieres fest und wird zum Schutz von dessen Flughäuten völlig umhüllt. In Ruheposition weist sein Kopf nach oben und es hält sich an – in der Afterregion der Mutter sitzenden – Scheinzitzen fest. Will das Kleine trinken, so muss es sich um 180 Grad drehen, um an die in der Brustregion des Weibchens liegenden Milchzitzen zu gelangen. Wenn die Alttiere nachts jagen, bleiben die Jungen in einer Art Kindergarten im Wochenquartier zurück. Sind die Jungtiere nach sechs bis sieben Wochen flugfähig, werden die Wochenstuben aufgelöst und die Paarungszeit beginnt.

In völliger Dunkelheit

Da Rhinolophus nur in völliger Dunkelheit jagt, ist sie zur Lokalisierung ihrer Beute (Insekten unter 17 Millimeter Körpergröße) mit einem besonderen Orientierungssinn ausgestattet, der Echo-Ortung. Sie stößt Ultraschalllaute aus, deren Echo sie auffängt und das dann im Gehirn in optische Bilder umgewandelt wird, wodurch ihre Beute „sichtbar“ wird.

Eine Besonderheit der Kleinen Hufeisennase ist, dass sie ihre Ultraschalllaute nicht durch den Mund ausstößt (wie bei den Glattnasen) sondern durch ihren Nasenaufsatz. So kann sie auch mit Beute im Maul weiter orten.

Der wärmeliebende Flugakrobat gilt als ortstreu, wechselt dabei jedoch zwischen Sommer- und Winterquartier. Im Sommer findet er zum Beispiel Unterschlupf in Baumhöhlen oder Dachböden, im Winter bevorzugt er unterirdische Räume wie etwa Höhlen und Stollen. Die Tiere quetschen sich nie in Ritzen oder Spalten, sondern hängen frei und typischerweise einzeln an der Decke, wobei sie sich zum Schutz völlig mit ihren Flughäuten ummanteln.

Direkte natürliche Feinde von Rhinolophus gibt es nur wenige, etwa lauernde Waldkäuze oder Baumhöhlen plündernde Marder. Allerdings besteht zwischen ihr und zum Beispiel Specht und Eichhörnchen Konkurrenz um die Höhlen, was einer indirekten Feindschaft entspricht. Hauptfeind und somit Verursacher dafür, dass die Kleine Hufeisennase in Deutschland vom Aussterben bedroht ist, ist der Mensch mit all seinen Maßnahmen. Sie führen unter anderem zum Verlust des Lebensraumes, reduzieren massiv die Nahrungsgrundlage ...

Zum Höhlentier des Jahres 2022 wurde die Kleine Hufeisennase einerseits gewählt, um die Aufmerksamkeit auf die nur wenig bekannte zoologische Artenvielfalt in unterirdischen Lebensräumen zu lenken und andererseits um die Notwendigkeit der Erforschung sowie auch die Gefährdung dieses besonderen Ökosystems bewusst zu machen.

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 6.XII.2022