8. Sept. 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wald oder Forst - Eine Begriffsbestimmung

 Joachim Schmitz

Schaut man sich einmal in den Medien um, begegnet man dem Begriff Wald in unterschiedlichsten Zusammenhängen. Sei es der Waldschadensbericht der Bundesregierung, sei es der Waldumbau im Zeichen des Klimawandels oder die Diskussion um wilde Mountainbike-Trails im Aachener Stadtwald.

Anscheinend wird hier der Begriff Wald einfach mit jeder Art Ansammlung größerer Gehölze gleichgesetzt, völlig egal, wie das ökologisch zu bewerten ist. Dabei ist ein Wald ökologisch definiert als ein von Bäumen dominiertes, natürliches oder wenigstens naturnahes Ökosystem. Das Gegenstück dazu ist der Forst, in dem die Bäume vom Menschen gepflanzt und bewirtschaftet werden.

Völlig vom Menschen unbeeinflusste Wälder gibt es bei uns bis auf winzige Reste gar nicht mehr. Alles andere sind Forste oder, um noch einen anderen Ausdruck zu benutzen, Wirtschaftswälder. Die können sich aber sehr unterscheiden, deshalb ist es sinnvoll, nach dem Grad der Natürlichkeit zu differenzieren. An einem Ende der Skala stehen naturnahe Wälder, bei denen Laien die forstlichen Eingriffe kaum wahrnehmen. Das Gegenteil sind rein ertragsorientierte Forste mit Bäumen, die nicht heimisch sind, oft auch viel zu dicht gepflanzt sind, um lange, gerade Stämme zu erzwingen. Sowas kann man dann eigentlich nur noch als Holzacker bezeichnen. Ähnlich wie bei Getreideäckern sind solche Bestände viel empfindlicher gegen Krankheiten, Schädlingsbefall oder Umweltstress.

Das führt auch zu unterschiedlicher Bewertung ökologischer Schädigungen, z.B. durch Mountainbiker im Aachener Stadtwald. Der offizielle Mountainbike-Park nahe des Dreiländerecks liegt in einem extrem naturfernen Fichtenforst. Zugespitzt formuliert: Hier können die Mountainbiker auch nichts mehr kaputt machen. Ganz anders am Klausberg. Hier gibt es ziemlich naturnahe Bestände des Waldmeister-Buchenwalds (Galio-Fagetum). Die Krautschicht ist reich entwickelt und enthält als botanische Besonderheit Borrers Schuppen-Wurmfarm (Dryopteris borreri). Die wilden Trails hier sind einfach eine massive Umweltsauerei!

Auch im Waldschadensbericht der Bundesregierung wird unzulässig pauschalisiert. Naturnahe Wälder werden in der Statistik nicht von reinen Forsten unterschieden. So wird dann der Borkenkäfer als große Bedrohung dargestellt, obwohl davon fast nur die Fichte betroffen ist. Von Natur aus ist die Fichte boreal verbreitet, d.h. im kühleren Nordosteuropa und in den Alpen. Überall sonst ist sie als Forstbaum angepflanzt worden. Das war sehr lange erfolgreich. Massive Wachstumsstörungen wurden erstmals in den 1980er-Jahren beobachtet, was damals auf den „sauren Regen“ zurückgeführt wurde. Aber es ging immer so weiter. Häufigere Stürme und zunehmend längere Trockenperioden machen dem Flachwurzler zu schaffen. Die Borkenkäfer sind nicht der Grund für das Fichtensterben, sie schlagen einfach nur noch den letzten Nagel auf dem Sarg ein.


Ein trostloser Fichtenforst in der Eifel, durch dem sich auch noch die „Panzer“ der Holzabfuhr durchgepflügt haben.

Wenn man dann zunehmend davon hören und lesen kann, dass der „Wald“ zukunftsfähig gemacht werden soll, indem man Exoten anpflanzt wie Douglasien, Rot-Eichen usw., die besser mit den neuen Klimabedingungen zurechtkommen, sind natürlich reine Wirtschaftswälder gemeint. In naturnahen Wäldern sind solche Eingriffe unnötig und kontraproduktiv. Es wird vielleicht Verschiebungen geben. Die Buche zieht sich möglicherweise auf höhere Mittelgebirgslagen zurück, dafür breiten sich Eichen- und Linden-Arten weiter aus. Das kriegt die Natur selbst hin; dafür braucht es keinen menschlichen Eingriff.

Bis 1980 galt in NRW übrigens, dass der Holzertrag das oberste Ziel der Waldbewirtschaftung ist. Heute sind im Forst(!)gesetz der ökologische Wert und die Erholungsfunktion gleichrangig bewertet.

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zuletzt bearbeitet am 5.X.2022