9. Juni 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Warum wird die Malve Käsepappel genannt?

 Ruth Gestrich-Schmitz

Echte Hingucker im Garten, blühfreudig und dazu noch pflegeleicht: Verschiedene attraktive Malven-Arten und -Sorten beginnen gerade ihre Blütezeit, die bis in den Herbst andauert. Eine besonders beliebte Art aus der Familie der Malvengewächse ist die Stockrose (Alcea rosea), eine typische Bauerngartenpflanze. Die bis zu zwei Meter kerzengerade hoch wachsende, zweijährige Pflanze entwickelt nach der Aussaat im ersten Jahr eine Blattrosette und im zweiten Jahr von Juli bis September große Blüten in Farbtönen von weiß über gelb, rosa, rot, violett bis fast schwarz. Entfernt man die Blütenstände nicht, sät sie sich von selbst wieder aus.

Die Wilde Malve (Malva sylvestris) blüht von Mai bis September in dunkelrosa, wobei ihre Blütenblätter von dunkelvioletten Äderchen strahlenförmig durchzogen sind. Ihr natürlicher Lebensraum sind Wegränder, Ödland und Mauern, und sie braucht nährstoffreiche, kalkhaltige, durchlässige Böden, und liebt einen sonnigen Standort. Als zweijährige bis ausdauernde Pflanze wächst sie niederliegend oder bogig bis zu einem Meter hoch. Ihre scheibenförmigen Früchte sehen wie kleine abgeflachte Käselaibe aus, weswegen sie auch als Käsepappel bezeichnet wird. Den Namen „Pappel“ verdankt sie wahrscheinlich dem hohen Gehalt an klebrigem (pappigem) Schleim, der verschiedene Zucker und verwandte Verbindungen (Galactose, Glucose, Arabinose, Xylose, Rhamnose, Galacturonsäure) enthält. Wegen dieser Schleimstoffe werden Malva sylvestris und auch Malva neglecta (Wegmalve) seit dem Altertum als Heilpflanzen genutzt. Die getrockneten Blätter und Blüten helfen, als Tee eingenommen, bei Atemwegsinfekten, Heiserkeit, Halsentzündungen sowie bei Schleimhautreizungen im Mund- und Rachenraum sowie im Magen. Dabei bilden die Schleimstoffe einen reizlindernden Schutzfilm auf der Schleimhaut. Ebenfalls in den Blättern enthaltene Gerbstoffe wirken schmerz-, juckreizstillend und abschwellend bei Insektenstichen und Hautentzündungen.

In der Pflanzenliste der Landgüterverordnung Karls des Großen durfte die Wilde Malve nicht fehlen, auch ihr naher Verwandter, der Eibisch (Althaea officinalis) ist dort aufgeführt. Er ist ebenfalls ein uraltes Heilkraut mit ähnlichen Wirkungen wie bei Malva sylvestris. Der im Eibisch enthaltene Schleim besteht in der Hauptsache aus sauren Polysacchariden. Er kommt in allen Pflanzenteilen vor, besonders reich daran ist die Wurzel mit bis zu zwanzig Prozent. Aus ihr werden Sirup, Tee und Salbe hergestellt. Im Englischen heißt der Eibisch übrigens „marshmallow“ (Sumpfmalve), denn sein natürlicher Lebensraum sind salz- und kalkhaltige, feuchte Böden. Die Schleimstoffe wurden früher zur Herstellung des beliebten Mäusespecks, heute besser bekannt als Marshmallow, verwendet.



Wilde Malve (Malva sylvestris)

Der Eibisch ist eine schöne, ausdauernde, bis zu zwei Meter hohe Gartenpflanze mit samtig weichen Blättern und weißen bis rosafarbenen Blüten. Die fünf Blütenblätter umgeben eine ein Zentimeter lange Röhre (Columna), zu der die zahlreichen Staubblätter verwachsen sind. Dies ist charakteristisch für alle Malvengewächse, dass die Staubblätter mit ihren Filamenten (Staubfäden) zu einer Säule verwachsen, die den Griffel umhüllt und an der Spitze nur die Narbe freigibt. Das gilt auch für Hibiskus, Baumwolle und Okra, die ebenfalls zu den Malvengewächsen gehören.

Mittlerweile sind für die Aussaat im Garten viele verschiedene Malvensorten erhältlich, die oft etwas resistenter gegen den Befall durch Malvenrost sind als die Urformen. Eibisch, Stockrose und Malva sind seit langer Zeit beliebte, traditionelle Bauerngartenpflanzen. Machen wir es Goethe nach, der sie als „Pappelallee“ entlang des Weges in seinem Hausgarten pflanzte und sich den ganzen Sommer über an ihrer Blütenpracht erfreute.

 

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zuletzt bearbeitet am 12.VII.2022