7. April 2022

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Palmsonntag und die Ölpalme

 Astrid von Reis

Mit Palmsonntag beginnt die Karwoche, die letzte Woche vor Ostern. Dieser Tag erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem, an dem die Menschen ihm (noch) zujubelten und ihm, so im Evangelium von Johannes, Palmzweige auf den Weg legten. Mit Palmzweigen wurden Könige geehrt. Mit ihren ungeöffneten Blättern erinnern sie an Schwerter, die für Macht, Sieg, Triumph sowie Ehrerbietung, Vitalität und Lebenskraft stehen. Ob es sich um Palmzweige oder eher um Eichen- und Ölbaumzweige gehandelt hat, ist unklar, andere Evangelisten schreiben nur von Zweigen, in der Region um Jerusalem gab es kaum Palmen. Doch das Symbol ist alt, gebräuchlich und prägnant. So werden bei uns stellvertretend Buchsbaum-, Hasel- oder Weidenzweige genommen und in Erinnerung gesegnet.

Nicht nur die Symbolkraft der Palmen ist groß, auch ihre Vielfalt. Fünf Unterfamilien, 183 Gattungen und 2600 Arten gehören zu der Familie der Palmengewächse oder Palmen (Arecaceae oder Palmae). Etwa innerhalb 35° nördlicher Breite und 35° südlicher Breite wachsen Palmen weltweit. Viele Palmenarten werden von uns Menschen genutzt beispielsweise als Nahrungsmittel, Baumaterial, Zierpflanzen, Erosions- und Windschutz. Zu den wirtschaftlich bedeutendsten Arten gehört die Ölpalme, Elaeis guineensis Jacq., deren Name auf Öl (griechisch eleion) und die ursprüngliche Heimat in den Regenwäldern von Westafrika hinweist. Sie ist die größte, d.h. ertragreichste aller Öl liefernden Pflanzen mit einem fünfmal so hohen Flächenertrag wie dem von Raps.

Die Ölpalme braucht eine gleichmäßige Temperatur von 24 bis 28°C. In den humiden, feuchtheißen Tropen bis 500 Meter Höhe gedeiht sie optimal. Etwa 30 Meter hoch wird die Wildform und kann bis zu 200 Jahre alt werden. Durch Züchtungen wird sie weniger lang und alt, dafür aber viel ertragreicher. Die ersten Blätter der Ölpalme sind schwertförmig, danach sind sie tief gefiedert und werden bis zu sieben Meter lang. Nach etwa zwei Jahren trocknen sie ein, fallen ab und hinterlassen eine deutliche Narbe am sich entwickelnden Stamm. Ab dem etwa dritten Lebensjahr bilden sich in jeder Blattachsel große, meist eingeschlechtliche Blütenstände mit einer stabilen Blütenstandachse und vielen Seitenachsen. Die mehrheitlich weiblichen Blütenstände werden meist durch Rüsselkäfer (Elaeidobius kamerunensis) bestäubt. Fünf bis neun Monate danach entstehen rundliche, bis 30 kg schwere Fruchtstände, die sich aus 1000 bis 4000 drei bis fünf Zentimeter langen eiförmigen Steinfrüchten zusammensetzen. Die reife Frucht hat eine dünne Schale. Sie umgibt das je nach Typus gelbe bis rötliche, faserige und bis zu 50 Prozent aus hochwertigem Palmöl (aus der Ölsäuregruppe) bestehende Fruchtfleisch und den Steinkern mit dem Samen, aus dem Palmkernöl (Laurinsäuregruppe) gewonnen wird.

Nachdem eine industrielle Aufbereitung des Öls seit Anfang des 20. Jahrhunderts möglich war, nahm der Anbau von Ölpalmen in allen Regionen des tropischen Tieflandregenwaldes in Großplantagen sukzessive zu. Die größten Anbaugebiete liegen in Indonesien (hier wurden 2020 mit 257 Millionen Tonnen rund 61 Prozent der Welternte an Ölpalmenfrüchten produziert), gefolgt von Malaysia (96 Millionen Tonnen) und Thailand (15 Millionen Tonnen). Palmöl wird etwa zu einem Drittel für Nahrungsmittel und zwei Drittel für industrielle Zwecke (Reinigungsmittel, Kosmetik, Kerzen, Biodiesel) genutzt. Palmkernöl hat optimale Schmelzeigenschaften und wird für Margarine, Schokolade(-glasuren) und vieles mehr verwendet. So hervorragend die Eigenschaften dieser Öle sind, so verheerend sind die riesigen Monokulturen, für die immer noch in großem Umfang ungebremst und unkontrolliert die Regenwälder abgeholzt werden. Hiermit verbunden: Vertreibung der Bevölkerung, Zerstörung von Ökosystemen mit der höchsten biologischen Vielfalt, Klimawandel.

Palmsonntag und Karwoche – vielleicht ein Anlass, Produkte auf (unzertifizierte) Palm-(kern-)öle hin anzuschauen, diese zu vermeiden, damit den Markt zu steuern und Leid zu reduzieren.

 

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zuletzt bearbeitet am 18.V.2022