6. Mai 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Bläuling - Das trojanische Pferd der Schmetterlinge

 Sophie Zimmermann

Der Monat Mai bringt uns meist warme und sonnige Tage. Auch ist es die Zeit, in der die ersten Bläulinge beobachtet werden können. Denn einige Falter dieser artenreichen Familie fliegen bereits im April oder Mai, während andere erst im Juni oder Juli zu sehen sind.

Insgesamt gehören über 5000 Arten zu der Familie der Bläulinge oder Lycanidae. Sie sind auf allen Kontinenten außer der Antarktis zu finden. Hier in Deutschland leben vermutlich 48 Arten. Die bevorzugten Lebensräume der Tagfalter unterscheiden sich je nach Art und reichen von offenen, sonnigen Wiesen bis hin zu Waldrändern oder Gärten.

Einfach zu erkennen sind die Falter mit den namensgebenden blauen Flügeln. Doch nicht alle Arten der Familie zeigen eine blaue Flügeloberfläche, so gibt es auch orange oder braune Flügelfarben. Die Flügelspannweite der adulten Tiere reicht von 20 bis 40 mm. Die Raupen der meisten Arten sind grün und 10 bis 18 mm groß.

Eine ganz besondere Gruppe sind die Ameisenbläulinge, zu denen fünf Arten gehören. Nach der Paarung im Frühsommer legen die weiblichen Falter Eier auf die Blütenknospen einer Pflanze. Aus diesen Eiern schlüpfen kleine rosarote Raupen. Die Bläulingsraupe lässt sich, nachdem sie sich kurze Zeit von ihrer Wirtspflanze ernährt hat, gelassen an einem seidenen Faden auf den Boden in die Nähe eines Ameisenbaus sinken. Normalerweise bleiben Schmetterlingsraupen Ameisennestern fern, da die Ameisen gefährliche Fressfeinde sind. Doch der Bläuling nutzt die Sammelsucht der Ameisen aus. Vor einem Nest liegend wird die Raupe von den Ameisen eifrig in deren Bau getragen. Hier beginnt die Scharade: Die Raupe verströmt den gleichen Duft, den auch die Ameisenmaden produzieren. So kommt es, dass die rosafarbene Raupe zwischen den blassen Maden gleichermaßen von den Ameisen gefüttert wird. Nicht nur das, die Raupe imitiert sogar Geräusche der Ameisenkönigin und wird daher regelrecht verwöhnt. Falls es zur Nahrungsknappheit kommt, wird sie von den Ameisenarbeiterinnen bevorzugt gefüttert. Damit nicht genug, denn teilweise werden auch die unschuldigen Ameisenmaden von den Einbrechern gefressen. So lebt die Raupe fast zwei Jahre wie die Made im Speck. Dann, wenn die Raupe das letzte Wachstumsstadium erreicht hat und die Kräfte der Ameisen so langsam erschöpft sind, verpuppt sie sich. Nach der Puppenruhe schlüpft ein junger Falter, der den Bau schleunigst verlässt, da er den Ameisenduft nicht mehr produziert. Draußen sucht er sich eine Pflanze, die er erklimmt, um seine Flügel hängend zu trocknen, damit diese ihre volle Größe erreichen. Anschließend macht sich der Falter auf die Suche nach einem Paarungspartner und das Schauspiel wird mit der neuen Generation fortgesetzt.

Die Täuschung funktioniert aber nicht bei beliebigen Ameisenbauten, die fünf Arten von Ameisenbläulingen sind jeweils an bestimmte Ameisenarten gebunden. Der Lungenenzian-Ameisenbläuling ist an die Rote Gartenameise oder die Waldknotenameise gebunden, während der Helle Wiesenkopf-Ameisenbläuling auf Trockenrasen-Knotenameisen spezialisiert ist. Die Schmetterlinge sind demnach abhängig von dem Vorhandensein der Ameisenart. Außerdem sind sie auch auf ihre sogenannte Wirtspflanze, die Pflanze, von der sich die Falter und die frisch geschlüpften Raupen ernähren, angewiesen. Abhängig von diesen komplexen ökologischen Verbindungen gehören die Ameisenbläulinge zu den international als gefährdet eingestuften und streng geschützten Arten.

Die Lebensräume der Pflanzen, der Ameisen und damit auch der Schmetterlingsart sind Feuchtwiesen, Trocken-, Halbtrocken- oder Kalktrockenrasen. Gerade diese Lebensräume sind heute durch den Menschen sehr stark bedroht. Feuchtwiesen wurden beispielsweise durch Entwässerung für die Landwirtschaft nutzbar gemacht und damit der artenreiche Lebensraum zerstört. Die heute noch erhaltenen Feuchtwiesen werden von Naturschutzorganisationen bewahrt. Für den Schutz des Ameisenbläulings wurden außerdem Maßnahmen zur Wiederherstellung der Habitate eingeleitet.

Feuchtwiesen bieten nicht nur für verschiedenste Schmetterlingsarten, sondern auch für eine Vielzahl anderer Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Diese artenreichen Orte gilt es deshalb zu schützen und zu fördern!

 

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zuletzt bearbeitet am 7.VI.2021