27. Aug. 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Pollenkörner – faszinierende Meisterwerke der Natur

 Ruth Gestrich-Schmitz

IIn einer blumenreichen Wiese tummeln sich gerne viele Bienen, um von Blüte zu Blüte zu eilen und leckeren Nektar zu sammeln. Sieht man genauer hin, fallen an den Hinterbeinen der Bienen meist gelbe Klumpen ins Auge. Man sagt dann: Die Biene hat Höschen an. Diese Klumpen bestehen aus dem Blütenstaub, den Pollen, die die Biene beim Besuch der Blüten von den Staubbeuteln abstreift. Im Frühjahr fallen uns die Pollen auf, wenn bei heftigem Wind der Blütenstaub von Laub- und Nadelbäumen auf Autos, Gartenmöbeln, Fenstern eine gelbe Schicht hinterlässt. In manchen Jahren blühen die Rotbuchen in der Eifel so intensiv, dass es aus der Ferne aussieht, als würde der Wald brennen, wenn der Wind die enormen Mengen an Blütenstaub durch die Luft wirbelt. Pollenallergiker verfluchen den Pollenflug, aber die Pflanzen brauchen eben den Pollen zu ihrer Vermehrung.

Pollen oder Blütenstaub besteht aus Pollenkörnern, die das männliche Erbgut der Pflanzen enthalten. Die Pollenkörner sind für jede Pflanze von typischer Gestalt. Die Größe variiert von Art zu Art, sie liegt zwischen 8 und 250 Mikrometern (1 Mikrometer = 1Tausendstel Millimeter). Zur Bestäubung müssen sie zu den weiblichen Blütenorganen gelangen, das geschieht durch Wind (Anemogamie), Wasser (Hydrogamie) oder durch Tiere (Zoogamie).

Biene mit Höschen auf Efeublüte

Damit das Pollenkorn gegen Umwelteinflüsse geschützt ist, besitzt es eine stabile Außenwand, das Sporoderm, welches aus zwei Schichten aufgebaut ist. Die innere Schicht, Intine genannt, ist eine zarte Hülle, reich an Cellulose und Pektin. Die äußere Schicht des Sporoderms bildet die Exine, hauptsächlich bestehend aus Sporopollenin, einem sehr widerstandsfähigen Polyester aus Fettsäuren und Carotinoiden. Die Exine wiederum gliedert sich in zwei Schichten, nach innen die glatte Nexine, nach außen die strukturierte Sextine, die dem Pollenkorn seine arttypische Gestalt verleiht. Im Tectum, einem Teil der Sextine, befindet sich der Pollenkitt, eine klebrige Masse, wichtig für das Zusammenhaften der Pollenkörner in Pollenpaketen und für das Anhaften an Bestäubern. Im Tectum sind auch Inkompatibilitätsproteine eingelagert, die eine Selbstbestäubung verhindern. Dort, wo das Sporoderm Lücken (Aperturen/Keimöffnungen) in der Exine aufweist, wächst die Intine beim Befruchtungsvorgang zum Pollenschlauch aus.

Mit dieser Hülle gut geschützt gelingt es manchen Pollen, über einhundert Kilometer weit mit dem Wind fortgetragen zu werden. Sehr gute Flugeigenschaften besitzen Pollen von Nadelbäumen, die mit Luftkammern ausgestattet sind und ihn damit leichter machen.

Die meisten Pflanzen produzieren gelben Pollen. Manche fallen aber aus der Reihe mit schwarzer Farbe wie beim Klatschmohn oder blau gefärbt wie beim Borretsch, der Kugeldistel oder dem Gewöhnlichen Natternkopf. Wegen ihrer winzigen Größe kann man leider nur unter dem Mikroskop die unterschiedlichen geometrischen Formen der Pollenkörner erkennen und die Schönheit der kleinen Meisterwerke bewundern: Entweder zupft man dazu die Staubbeutel einer frischen Blüte auseinander und betrachtet sie unter dem Mikroskop oder man extrahiert aus einer wässrigen Honiglösung mittels Zentrifugation den Pollen und betrachtet die Körner bei vierhundertfacher Vergrößerung. Denn im Honig sind immer auch Pollen enthalten, die beim Blütenbesuch der Bienen mit dem Nektar in den Honigmagen gelangen. Auch Pollen, der im Bienenstock Larven und Ammenbienen als Nahrung dient (Bienenbrot) kann bei der Honigernte in den Honig gelangen. Alternativ zum Mikroskop findet man im Internet wunderbare rasterelektronenmikroskopische Aufnahmen.

Pollenkörner können wegen ihres extrem widerstandsfähigen Sporoderms Jahrhunderte, sogar Jahrtausende überdauern. Dies nutzt man in der Archäologie, der Archäobotanik, in der Klimaforschung und in der Geologie, wo Pollenfunde Aufschluss über archäologische Funde (wie die Gletschermumie Ötzi), die Geschichte der Pflanzenwelt, des Klimas und des Bodens geben. In der Kriminalistik wird die Pollenanalyse zur Aufklärung von Verbrechen herangezogen. Diese Wissenschaft des Pollens wird Palynologie genannt.

 

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zuletzt bearbeitet am 12.IX.2020