19. März 2020

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Paludikultur - Eine Chance für Moore und den Klimaschutz

 Ruth Gestrich-Schmitz

Im vergangenen Jahr besuchte ich im Deutschen Hygiene-Museum in Dresden eine sehr interessante Ausstellung mit dem Titel „Von Pflanzen und Menschen – Ein Streifzug durch den grünen Planeten“. Beim Gang durch die drei Säle wird anschaulich vermittelt, warum die Welt der Pflanzen für uns Menschen überlebensnotwendig ist und uns gleichzeitig verzaubert. Wie zerstörerisch der Mensch heute in die Natur eingreift und welche Möglichkeiten sich eröffnen, dem entgegen zu wirken, ist Teil der Ausstellung. In diesem Zusammenhang taucht der Begriff „Paludikultur“ auf. Abgeleitet von palus (lat. Sumpf, Morast) bezeichnet Paludikultur die land- und forstwirtschaftliche Nutzung nasser bzw. wiedervernässter Moorflächen.

Moore sind enorme Kohlenstoffspeicher. Obwohl sie nur 3 % der Landfläche auf der Erde ausmachen, speichern sie doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder auf unserem Planeten, die etwa 30 % der Erdoberfläche einnehmen. Durch den Abbau von Torf und der Trockenlegung riesiger Moorflächen zur Gewinnung von Grünland und Ackerflächen ist ein Großteil der Moore bereits geschädigt oder zerstört. Die Folge ist, dass der im intakten Moor gebundene Kohlenstoff mit der Zeit abgebaut wird und dabei enorme Mengen an CO2 freigesetzt werden. Studien besagen, dass 6 % der vom Menschen verursachten CO2 - Emissionen durch die weltweite Zerstörung der Moore bedingt sind. Verlust von pflanzlicher und tierischer Artenvielfalt, Verlust von Wasserspeicher- und Wasserfilterfunktion des Bodens und die Belastung von Grund- und Oberflächenwasser durch Nährstoffausträge sind weitere gravierende Folgen von Moor-Entwässerung und landwirtschaftlicher Nutzung. Die Paludikultur könnte einen wichtigen Beitrag liefern, dem entgegenzuwirken. An der Universität Greifswald läuft dazu seit Jahren ein umfangreiches Projekt.

Um abgetorfte oder trockengelegte Moore mittels Paludikultur land- oder forstwirtschaftlich nutzen zu können, müssen sie zunächst von mooruntypischer Vegetation befreit und wieder vernässt werden. Sowohl Niedermoore (Grundwasser-gespeist) als auch Hochmoore (Niederschlagswasser-gespeist) eignen sich für die Paludikultur. Standorttypische Pflanzen für die Kultur auf Niedermoorflächen sind Schilf, Rohrglanzgras, Rohrkolben und Seggen. Sie werden als Bau- und Dämmstoffe eingesetzt oder können in Form von Pellets, Briketts oder Biogas zur Energiegewinnung dienen, als nachwachsender Rohstoff ohne Konkurrenz für die Nahrungsmittelproduktion. Verwertet wird Biomasse aus Paludikultur bereits im Heizwerk der Stadt Malchin. Das Biomasse-Heizwerk versorgt seit Juni 2014 mit einem 800 kW-Kessel 540 Haushalte, einen Kindergarten und eine Schule mit 4000 MWh Wärme pro Jahr (= 350.000 Liter Heizöl). Als Brennstoff werden 1000 Tonnen Rohrglanzgras- und Seggenheu, geerntet von ca. 200 Hektar wiedervernässtem Niedermoor, genutzt.

In Paludikultur wachsende Schwarzerlen eignen sich als Wertholz für die Möbelherstellung und ebenfalls zur Energiegewinnung. Wiedervernässtes Niedermoorgrünland wird in Mecklenburg-Vorpommern auch bereits zur Heugewinnung und als Weidefläche für Wasserbüffel genutzt, die regionale, hochwertige Milchprodukte und Fleisch in Bioqualität liefern.

Für die Kultur auf Hochmooren eignen sich Torfmoose, die als nachwachsender Rohstoff eine Alternative zu Weißtorf als Kultursubstrat für den Gartenbau werden könnten. Denn Torfmoos- Biomasse besitzt ähnliche physikalische und chemische Eigenschaften wie Torf. Torfmoose sind in der Lage, mehr als das Dreißigfache ihrer Trockenmasse an Wasser zu speichern! Erste Versuche zur Kultivierung von Torfmoosen auf wiedervernässten Moorbereichen waren bereits erfolgreich. Pflanzenbauliche Versuche und die Praxis haben laut Greifswald Moor Centrum die Eignung der Torfmoose als Ersatz für Torf im Gartenbau bestätigt. Aufgrund seiner guten Absorptionsfähigkeit wird Torfmoos auch zum Binden ausgelaufener Flüssigkeiten bei Öl- und Chemieunfällen und bei der Herstellung von Hygieneartikeln eingesetzt. Traditionell dient Torfmoos als Dämmstoff in Blockhäusern.

Zwar steckt die Paludikultur noch in den Kinderschuhen, doch sind die bisher vorliegenden Ergebnisse vielversprechend. Wer mehr über Paludikultur wissen möchte, der findet im Internet ausführliche Informationen unter www.moorwissen.de, eine Wissensplattform des Greifswald Moor Centrum.

Wasserspeicher Torfmoos

 

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zuletzt bearbeitet am 27.III.2020