5. Juli 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Streifenwanze, rot-schwarz gestreift wie ein Pyjama

Ruth Gestrich-Schmitz

„Auf der Mauer, auf der Lauer, sitzt ´ne kleine Wanze,…“, das fällt mir als Erstes ein, wenn ich an Wanzen denke. In der Regel verbindet man mit Wanzen negative Gefühle: Stinkwanzen oder Bettwanzen sind unangenehme Tiere, die man nicht in seiner Nähe haben möchte. Wenn man sich verschiedene Wanzen genauer ansieht, kann man aber auch ein positiveres Bild dieser Insekten gewinnen. Im Karlsgarten in Aachen-Melaten findet man in der Blütendolde des Bergkümmels zurzeit die Streifenwanze (Graphosoma lineatum) mit ihrem kräftig rot-schwarz gestreiften Aussehen, das mich an einen Männerpyjama erinnert. Die etwa ein Zentimeter großen Streifenwanzen lieben sonnige Plätze, sitzen in Doldenblütlern wie Wiesenkerbel, Möhre, Giersch, Pastinake oder Fenchel und saugen mit ihrem Rüssel an den reifenden Samen. Ab Ende Mai bis Ende Juni paaren sie sich auch dort, bevor das Weibchen an den Blättern und den Stängeln die Eier ablegt. Nach acht bis zehn Tagen schlüpfen die Larven, die sich – typisch für Wanzen, ohne Puppenstadium – bis September fünfmal häuten bis zum erwachsenen Tier (Imago): Sie durchlaufen mehrere Nymphen-Stadien, die dem Imago bereits äußerlich sehr ähneln. Das Weibchen bewacht die Nymphen noch eine Zeitlang. Als erwachsene Streifenwanzen überwintern sie in Pflanzenresten auf dem Boden.

Die Streifenwanze ist im Mittelmeergebiet heimisch. In den letzten Jahrzehnten hat sie sich weiter nach Norden ausgebreitet, mittlerweile bis nach Dänemark und Südschweden. Mit ihrem rot-schwarz gestreiften Erscheinungsbild ist sie unverwechselbar. Schwarze Punkte kennzeichnen die rote Körperunterseite. Das für Wanzen typische dreieckige Rückenschildchen (Scutellum) ist bei der Streifenwanze sehr groß ausgeprägt und überdeckt die ganzen Vorderflügel.

Weltweit sind heute über vierzigtausend Wanzenarten bekannt, wovon etwa 900 in Deutschland vorkommen. Sie besiedeln nahezu jeden Lebensraum auf der Erde, sogar den offenen Ozean! Dort leben Meerwasserläufer (Halobates), die über die Wasseroberfläche huschen und sich von Fischeiern, winzigen Meerestieren oder toten Quallen ernähren. Gegenstände, die im Wasser treiben, Vogelfedern, Treibholz oder Kunststoffmüll, werden zur Eiablage genutzt.

Die meisten Wanzen ernähren sich von Pflanzensäften oder saugen an Pilzen oder Insekten. Den allerwenigsten dient Blut als Nahrung. Aber selbst diese Plagegeister können einen Nutzen haben: Die blutsaugende mexikanische Raubwanze (Dipetalogaster maximus) nutzen Forscher, um sie als „Laborassistentin“ einzusetzen, sie kann Tierärzten bei der Blutabnahme helfen. Die extrem kleinen Blutgefäße von Kleintieren kann man kaum mit einer Spritze treffen, zumal sich die Tiere dagegen wehren. Setzt man eine solche Wanze an das Ohr eines Kaninchens, sticht das Insekt schmerzfrei zu und saugt Blut, das man dann mit einer Spritze der Wanze entnehmen und untersuchen kann.

Wanzen besitzen Duftdrüsen. Kommt ihnen ein Feind zu nahe, versprühen sie, wie die Grüne Stinkwanze, eine übelriechende Flüssigkeit, bei der dem Angreifer in der Regel der Appetit vergeht. Das „Parfum“ der Duftdrüsen dient aber auch als Lockstoff und als Kommunikationsmittel. Manche Wanzen duften nach Marzipan, Birne, Vanille oder Zimt. Die Streifenwanze riecht nach alten Äpfeln.

Viele Wanzen sind kunterbunt mit auffälligen Farben gemustert. Sie sehen nicht nur hübsch aus, sie signalisieren ihren Fressfeinden auch damit, dass sie ungenießbar sind, und schrecken sie damit ab.

Für die Streifenwanze interessieren sich auch die Wissenschaftler: Kürzlich haben sich Freiburger Forscher unter anderem die Gestalt der Streifenwanzen-Flügel zum Vorbild genommen für die Entwicklung einer gelenkfreien Fassadenverschattung.

 

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zuletzt bearbeitet am 26.VII.2018