19. Okt. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wirklich pflegeleichte Gärten sind wohl doch eher Illusion als Realität

Karl Josef Strank

Gärten sind Lieblings- und Sehnsuchtsorte vieler Menschen. Das Urbild aller Gärten ist der Garten Eden, das Paradies. Dort verbrachten Adam und Eva die Zeit glücklich und zufrieden, ohne harte Arbeit und Mühen wie in einem Schlaraffenland. Mit der Vertreibung aus dem Paradies endete das süße Leben und seither sind die Menschen auf der Suche, diesen Zustand wieder zu erreichen.

Unser Wort Garten leitet sich sprachlich von Gerte her. Darin steckt das indogermanische gher und später ghortos, was zu lateinisch hortus wurde. Mit Gerten aus ineinander geflochtenen Weiden- und Haselnussruten umzäunte und umgürtete man den Garten. Der war immer ein mit einem Zaun und Gatter geschützter und gehegter Bereich. Im Mittelalter war der „hortus conclusus“ sogar mit einer festen Mauer umgeben und somit verschlossen. Gärten genossen immer viel Aufmerksamkeit und Pflege.

Steht der Garten als Hort und Zufluchtsort für das Paradies, so ist alles, was außerhalb liegt, öde Wildnis und Wüste. Diese Vorstellung ist unserer Gewohnheit geschuldet, in Gegensätzen und in den Kategorien von Schwarz und Weiß zu denken.

Ein Streifzug durch Haus- und Vorgärten scheint das zu bestätigen. Hier finden sich prallgrüne, üppige Pflanzendickichte, die den Eindruck eines wilden Dschungels machen, genauso wie das krasse Gegenteil karger, pflanzenfeindlicher Beton- und Steinwüsten. Letztere werden immer beliebter, weil sie als pflegeleicht gelten. Bleiben sie aber nach der Anlage sich selbst überlassen, verkrauten sie dennoch. Sporen und Samen fliegen über die Luft zu und setzen sich in Lücken und Ritzen fest. Es ist natürlich, dass Moose, Farne und Pionierpflanzen selbst diese bescheidenen Möglichkeiten nutzen. In der Natur erobern Flora und Fauna auch die schlimmsten Industriebrachen auf Dauer zurück.

Um das zu unterbinden, greifen dann Besitzer derartiger in strenger Minimalästhetik von Kies und Stein gestalteter Gärten gerne zu Herbiziden, um den aufkommenden Moos- und Krautwuchs zu vernichten. Das ist erstens nicht sehr umweltfreundlich, zweitens potenziell gesundheitsgefährdend und drittens gar nicht nötig, denn es gibt Pflanzen und Tiere, die immer wieder kommen, weil ihnen diese extremen Standortbedingungen bestens zusagen. Trockenheit, viel Sonne und Wärme ertragen Mauerpfeffer-Arten, Fettkräuter, alpine Polsterpflanzen, bestimmte Moose, Mauerfarne, Steppengräser und andere mehr. Auch Insekten und Eidechsen lieben solche Standorte.

Das andere Extrem sind dichte Dschungel aus über Jahren durchgewachsenen Pflanzen. Diese resultieren aus von Beginn an zu enger Pflanzung, die nicht berücksichtigt, welchen endgültigen Platzbedarf Gehölze, Sträucher und Stauden in einigen Jahren benötigen. Es erfordert Planungsweitsicht und Geduld, die Entwicklung eines Gartens abzuwarten, bis er sein volles Potenzial, oft erst nach Jahren entfaltet. Bis dahin hat es Sinn, mit Schnitt, Teilung und Verjüngung Bäume, Sträucher und Stauden in Form zu halten.

Strukturierte, den Boden vollständig bedeckende Staudenbeete sind schön, erfordern aber genaue Planung und ständige Pflege. Demgegenüber gelten wilde Gärten als pflegeleichte Alternative. Echte Wildnis wie in den Nationalparken braucht aber eine Mindestgröße von 10 000 Hektar, damit sich die Dynamik der Natur dort frei entfalten kann. Vielen kribbeln dennoch die Finger, und sie fordern spätestens dann den Eingriff, wenn Borkenkäfer wie im Bayerischen Wald riesige Nadelwaldgebiete zerlegen. Das ist zeitweise zwar ein sehr trauriger, aber notwendig zu ertragender Anblick, will man ernsthaft die eigenständige und naturgemäße Entwicklung solcher Wälder zulassen.

Wirklich pflegeleichte Gärten sind wohl doch eher Illusion denn Realität. Man muss als Gärtner das Schicksal des Sisyphos bewusst annehmen. Denn ist man an einem Ende des Gartens mit der Arbeit fertig, kann man am anderen Ende gleich wieder neu anfangen. Gärtnern findet nie ein Ende und gelangt nie ans Ziel. Der Weg ist das Ziel und der ist alle Mühen wert.

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zuletzt bearbeitet am 1.I.2018