14. Sept. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Königin für ein Jahr: vom arbeitsreichen und gefährdeten Leben der Hornisse

Angelika Greif

Sieben Hornissenstiche töten ein Pferd, drei einen Menschen: Diese ebenso falsche wie langlebige Mär um die Gefährlichkeit der Hornissen grenzt an Rufmord, denn sie ist ein wichtiger Grund, warum unsere heimische Hornisse (Vespa cabro) in Deutschland zu den akut gefährdeten und besonders geschützten Arten gehört.

Dabei hätte die Hornisse gute Aussichten, hier sicher etabliert zu bleiben. Sie ist die größte natürlich vorkommende Faltenwespe Europas – keine Art hat ihr bislang Konkurrenz gemacht. Sie sucht zwar nicht unbedingt die Nähe des Menschen, aber in Anbetracht unseres Expansionsstrebens findet die Hornissenkönigin nun mal nicht mehr ausschließlich hohle Baumstämme zur Staatengründung. Dann weicht sie auf das ruhige, dunkle Plätzchen im Gartenschuppen aus – und somit sind gelegentliche Kontakte zwischen Mensch und Tier vorprogrammiert.

Wer an einem Hornissennest respektvolle zwei Meter Abstand hält, sich ruhig bewegt und darauf achtet, sich nicht in die Flugbahn der Hornissen zu stellen, beunruhigt die Tiere auch nicht. Im Gegensatz zu anderen Wespenarten bevorzugen die Hornissen auch andere Nahrung als der Mensch: Die Königin ernährt sich in ihrer frühen Lebensphase vom zuckerhaltigen Saft, der an Stammverletzungen austritt, die Arbeiterinnen sind gewiefte Insektenjägerinnen.

Zudem ist die Hornisse viel scheuer als beispielsweise die Honigbiene und reagiert in aus ihrer Sichtweise brenzligen Situationen mit Flucht, solange es nur geht. Lediglich wenn ihr keine andere Wahl mehr bleibt, zum Beispiel, wenn sie gequetscht wird, sticht sie zu. Die abgegebene Giftdosis ist geringer als bei der Honigbiene und schmerzt nicht mehr als ein Wespenstich. Einzig, wer auf Wespengift allergisch reagiert, sollte besondere Vorsicht walten lassen. Das Gift der Hornisse enthält dieselben Immunglobuline wie das der Wespen.

Die junge, im letzten Herbst begattete Königin hat den Winter in einem selbst ausgenagten Totholz-Hohlraum verbracht, den sie im späten Frühjahr verlässt und nach einer für den Wabenbau geeigneten Stelle sucht. Das kann eine Baumhöhle, aber auch ein Nistkasten sein. Die Staatengründung beginnt mit der ersten Zelle, die sie aus zerkauten Holzfasern aufbaut und direkt mit einem Ei belegt. Bis die ersten Arbeiterinnen schlüpfen, vergehen 30 bis 50 Tage, so lange kümmert sich die Königin um alle Staatsgeschäfte selbst: den Wabenbau, die Eiablage und die Versorgung des Nachwuchses.

Wenn im Juni die ersten Arbeiterinnen ihre Zellen verlassen, übernehmen sie die Bau- und Versorgungsaufgaben der Königin, die sich nun auf die Eiablage konzentrieren kann. Bis zum September erreicht die Stärke des Volkes ihren Zenit, und die Wabe kann jetzt im Durchschnitt 600 Zellen aufweisen. Allerdings entspricht die Zellenzahl nicht der Anzahl der Hornissen, denn die Lebensspanne der Arbeiterinnen beträgt nur 20 bis 40 Tage.

Bereits im August beginnt die Königin, Vorsorge für die nächste Generation zu treffen. Sie legt Eier, aus denen sich die Geschlechtstiere, die Drohnen und die Jungköniginnen, entwickeln. In den kommenden beiden Monaten gehen diese auf Hochzeitsflug, und während die Drohnen nach Erfüllung ihrer biologischen Aufgabe ihr junges Leben bis Ende Oktober verwirken, stellen sich die begatteten Jungköniginnen auf die Überwinterung in einer selbst genagten Totholzhöhle ein. Der Kreislauf ist geschlossen.

Und die alte Königin? Ihre zahlreichen Aufgaben hat sie im Herbst des Jahres erfüllt, in dem sie ihren Staat gegründet hat und stirbt mit den letzten Arbeiterinnen. Für den Bestand der Art hat sie gesorgt. Ihr Schutzstatus – sie darf nicht getötet, ihr Nest darf nicht zerstört werden – sollte verhindern, sie wieder regional an den Rand der Ausrottung zu bringen.

Wohl hat sie Konkurrenz bekommen. Seit 2004 verbreitet sich die aus Südostasien stammende Asiatische Hornisse (Vespa velutina) von Südfrankreich aus in rasanter Geschwindigkeit über Europa. Welche Auswirkungen dieser Neubürger auf die heimischen Hornissen-Populationen hat, bleibt abzuwarten.

 

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zuletzt bearbeitet am 27.X.2017