29. Juni 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Ohrwurm - Nicht im Kopf, sondern im Garten aktiv

Ruth Gestrich-Schmitz

Weltweit sind etwa 1300 Arten bekannt, in Mitteleuropa sieben. Am bekanntesten ist bei uns der Gemeine Ohrwurm (Forficula auricularia). Hebt man einen Blumentopf hoch, kann man ihn manchmal schnell davonflitzen sehen. Ohrwürmer lieben dunkle Schlupfwinkel wie Ritzen, leben unter Steinen und Laub. Sie sind eher in der Dämmerung und nachts aktiv.

Der Gemeine Ohrwurm ist rotbraun, zehn bis sechzehn Millimeter lang und besitzt lange Antennen. Die paarigen Hinterleibsanhänge, Cerci genannt, sind bei den Männchen zangenartig gebogen, bei den Weibchen gestreckt. Die Tiere besitzen zwar Deckflügel und Hautflügel, sind also flugfähig, man sieht sie aber so gut wie nie fliegen. Einmal im Jahr findet die Paarung statt, mit einem ausgeprägten Balzverhalten. Das Weibchen betreibt Brutpflege: Eier und Larven werden bewacht, gepflegt und auch gefüttert. Der Gemeine Ohrwurm hat sowohl tierische als auch pflanzliche Kost auf seinem Speiseplan. Im Nutzgarten wird er gerne als „Haustier“ gehalten, weil er bevorzugt Blattläuse, auch Schädlinge wie Schmetterlingsraupen und Larven vertilgt. Um seine Ansiedlung zu begünstigen, sollte man ihm Wohnungen anbieten: In „Ohrwurm-Hotels“, mit Stroh, Holzwolle oder Heu gefüllten Blumentöpfen, fühlen sich die Tiere sehr wohl. Die Blumentöpfe werden umgedreht in den Obstbaum gehängt, immer in Kontakt zu einem Ast, damit die Ohrwürmer leicht rein- und rauskrabbeln und sich nachts auf die Jagd nach Obstbaumschädlingen machen können.

In Jahren, in denen nicht genug Blattläuse vorhanden sind, sowie in warmen, trockenen Zeiten kann der Gemeine Ohrwurm aber auch schon mal Schäden an Pflanzen anrichten. Fraßspuren, meist ausgefranste Löcher an Blüten und Blättern von Dahlien, Nelken, Chrysanthemen oder Rosen weisen darauf hin. Das Nahrungsspektrum umfasst auch weiche Früchte wie Erdbeeren, Pflaumen, Aprikosen, Pfirsiche oder Trauben, meist wenn schon Schadstellen vorhanden sind. Man vermutet, dass die Ohrwürmer in trockenen Jahren ihren Wasserbedarf an reifen Früchten decken. Wenn die Ohrwürmer nicht in Massen auftreten, werden sie normalerweise nicht zum Problem. Für den Erwerbs-Obstbau empfiehlt das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, „Ohrwurm-Hotels“ in warmen Obstbau-Regionen nur an Kernobst (Apfel, Birne, Quitte) einzusetzen, und zwar zur Bekämpfung von Blatt- und Blutläusen. An Reben sowie bei Steinobst sollte man dagegen vorsichtig sein.

Ohrwurmhotels in einem Spalierobst

Sollten die Ohrwürmer dennoch einmal zur Plage werden, im Garten oder in der Wohnung, sollte man sie nicht bekämpfen, sondern mit Hilfe der „Ohrwurmhotels“ anlocken und lieber an Stellen umsiedeln, wo sie als Nützlinge wirken können. Schon der Name klingt irgendwie bedrohlich: Ohrwurm, Ohrenkneifer oder Ohrenschleifer. Wer denkt da nicht an das Schauermärchen, dass diese Tiere nachts über die Bettdecke ins Ohr krabbeln und im Kopf mit ihren Kneifzangen Unheil anrichten. Das ist völliger Unsinn! Die Zange am Hinterleibsende dient als Werkzeug bei der Jagd auf kleine Insekten, bei der Flügelentfaltung, bei der Verteidigung und bei der Paarung. Für die Namensgebung kommen zwei Erklärungen in Betracht: Schon in der Antike wurden getötete Ohrwürmer getrocknet, zerrieben und sollten gegen Ohrenkrankheiten und Taubheit helfen. Man kann den Namen Ohrwurm auch von Öhrwurm ableiten, denn die stark gebogene Hinterleibszange des Männchens ähnelt einem Nadelöhr.

Die Ohrwürmer (Dermaptera) sind keine Würmer, sondern gehören zu den Insekten

 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 23.VII.2017