26.April 2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Ideale Pionierpflanze und interessant für die Forschung: der Löwenzahn.

Angela Ertz

Neben dem Gänseblümchen gibt es wohl kaum eine einheimische Blütenpflanze, die so bekannt ist wie der „Gewöhnliche Löwenzahn“. Jedes Kind kennt Löwenzahn und Pusteblume und ahnt zumindest wie die eine aus der anderen entsteht. Der Name leitet sich von den stark gezähnten Blättern ab. Der hohle Stängel schiebt sich erst in die Höhe nachdem die Blütenknospe am Boden schon ausgebildet wurde. Die Stängellänge ist dabei sehr anpassungsfähig. Bei gemähten oder stark begangenen Flächen bleibt die Löwenzahnblüte fast auf Bodenhöhe.

Die pomponartige, gelbe „Blüte“ ist botanisch gesehen ein Blütenstand aus vielen einzelnen Blüten, wie bei allen Pflanzen aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Und so ist auch jedes Fallschirmchen der Pusteblume die Frucht jeweils einer einzelnen Zungenblüte.

Löwenzahn ist allgegenwärtig. Durch seine Pfahlwurzel, die über einen Meter lang werden kann, kann der Löwenzahn auch bei trockenen Böden an tiefe Wasserschichten gelangen. Damit ist er eine ideale Pionierpflanze. Er liebt nährstoffreiche Böden. Jetzt zur Blütezeit kann man an den gelben Blüten schon von weitem stark gedüngte Wiesen von extensiven, mageren Wiesen unterscheiden. Die Blüten sind eine frühe Bienenweide und ergeben einen intensiv schmeckenden, gelben Honig, in dem sich unter dem Mikroskop auch einzelne hübsche „stachelige“ Pollenkörner des Löwenzahns bewundern lassen.

Heilmittel und Kaffee-Ersatz

Auszüge und Presssäfte aus Blättern und Wurzeln des Löwenzahns werden seit langem in der Naturheilkunde und Volksmedizin insbesondere als Diuretikum verwendet. Beide enthalten viele Bitterstoffe, die u.a. Bauchspeicheldrüse und Darmperistaltik anregen. Der hohe Gehalt an Kalium ist vermutlich die Ursache für eine entwässernde Wirkung. Die französische Bezeichnung ‚pissenlit‘ und gleichbedeutende deutsche Synonyme beziehen sich darauf und suggerieren eher nicht, dass man Löwenzahn auch sehr schmackhaft zubereiten kann. Die jungen Blätter können als Salat gegessen werden, die herausgezupften Vitamin C reichen, gelben Blütchen sind ebenfalls eine dekorative Salatzutat. Auch die Wurzel kann roh oder gedünstet gegessen werden.

Das im Herbst in der Wurzel gespeicherte Kohlenhydrat Inulin gilt als förderlich für die Darmflora, da es von den dortigen Milchsäurebakterien umgesetzt wird. In der Nachkriegszeit wurde aus der Pfahlwurzel des Löwenzahns wie der nahe verwandten Zichorie (Wegwarte) durch Röstung ein Ersatzkaffee hergestellt. Auffällig beim Schneiden von Löwenzahnblättern und -wurzeln ist der aus den Milchröhren austretende weiße Milchsaft. Den Pflanzen dient der aus Verletzungen austretende Milchsaft, der meist schnell gerinnt, als Wundverschluss. Durch ungenießbare oder giftige Inhaltsstoffe schützt der Milchsaft die Pflanze außerdem vor Fressfeinden und saugenden Insekten, deren Mundwerkzeuge verkleben. Weltweit enthalten verschiedene Pflanzen Milchsaft unterschiedlichster Zusammensetzung. Der Milchsaft des Schlafmohns enthält zum Beispiel Opium, beliebte Modedroge auch der mondänen Aachener Badegäste bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts.

Der Milchsaft des Löwenzahns enthält die pharmazeutisch wirksamen Bitterstoffe und Inulin. Daneben aber auch Polyterpene, Grundstoffe von Latex bzw. Kautschuk. Ganz aktuell wird von verschiedenen Wissenschaftlergruppen, unter anderem vom Aachener Fraunhofer-Institut IME an der Verwendung von Latex aus dem Milchsaft des Russischen Löwenzahns (Taraxacum kok-saghyz) geforscht. Dieser soll mittelfristig eine europäische Alternative, sowohl zum heute meist verwendeten synthetischen Kautschuk aus Erdöl bieten, als auch zum natürlichen Pendant aus dem Milchsaft des tropischen Kautschukbaums.

Eine unerwünschte Gerinnung des Löwenzahnmilchsafts konnte bereits durch gentechnische Veränderungen bzw. die Züchtung von entsprechenden Mutanten unterdrückt werden. Auch über den biotechnologischen Einsatz von isolierten Milchröhrenzellen, die die gewünschten Stoffe ohne Pflanze direkt in großen Bioreaktoren erzeugen könnten, wird parallel geforscht.

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zuletzt bearbeitet am 19.V.2012