28.April 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Maibaum – Sinnbild für Freude über das neue Leben und die Hoffnung

Astrid von Reis

Seit alters her spielen Bäume eine große Rolle im Leben der Menschen. Schriften, Zeichnungen, Darstellungen, Kunstwerke und Bauten zeugen von der Faszination und Bewunderung des Menschen für diese Gehölze. Bäume sind beeindruckende Pflanzen, unabhängig davon, dass sie lebenswichtige Leistungen vollbringen und gut nutzbar sind. So spielen sie im Brauchtum eine entsprechend große Rolle: Sie stehen von jeher für das Leben und die Hoffnung wie der Weihnachtsbaum, der Freiheitsbaum, der Richtbaum und auch der Maibaum.

Die Welt wird bunt
Endlich, der Frühling ist da und das lang ersehnte Grün kommt – die Welt wird wieder bunt. Mal knallig gelb-grün in Form von Blüten des Spitzahorns, hellgrüne Blätter bei den Birken und Linden, sich langsam entfaltende dunkelgrüne Blätter der Rosskastanie, das leuchtende Rosa der Japanischen Kirsche und viele Farben mehr. Gefühle werden wach, Aufbruch, Aufatmen, Lebendigkeit sind angesagt, die kommende Vegetationsperiode muss gebührend gefeiert werden – damals wie heute. Viele Maibräuche zeugen von Freude und Hoffnung, so auch die Aufstellung des Maibaums.

Das Frühjahrs- und Fruchtbarkeitsfest wird in unseren Breiten schon lange Anfang Mai, dem Wonnemonat, gefeiert: „Dieser Monat ist ein Kuß, den der Himmel gibt der Erde, dass sie jetzo seine Braut, künftig eine Mutter werde“ (Friedrich Freiherr von Logau, 1604–1655). Die „Vermählung der Erdmutter mit dem Himmel zur Förderung der Fruchtbarkeit“ wurde bereits in der Nacht zum 1. Mai zelebriert, was vermutlich auf die Germanen zurückgeht, bei denen der Tag mit der vorhergehenden Nacht begann. Krönung der Feierlichkeiten war die Aufstellung eines Baumes in der Dorfmitte. Meistens wurde eine Birke oder Fichte geschlagen, geschält (damit die Hexen sich nicht unter der Rinde halten konnten) und bis auf die obersten Äste aufgeastet. Der Stamm versinnbildlicht Kraft und Gesundheit; der Wipfel darf nicht fehlen, denn hier wohnen die guten Geister – nur so ist der Baum segenbringend. Auch ein Kranz (das Fruchtbarkeitssymbol) mit Bändern – sie stehen für den Segen des Gedeihens - darf nicht fehlen. Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Aufstellen von Maistecken oder Maigrün: junge, mit Bändern geschmückte Birken, die der Liebsten seit ca. dem 15. Jahrhundert vor die Tür gestellt wurden.

Die Literaten sind sich nicht ganz einig, wie alt der Brauch ist, einen Maibaum aufzustellen. Auch woher der Maibaumbrauch stammt, ist nicht eindeutig zu sagen. Zeugnisse der Antike könnten aber bereits auf ihn verweisen. Die Römer feierten die Göttin Maia, ihr Fest wurde am 1. Mai mit dem Aufstellen von Bäumen als Symbol ihrer Würde begangen. Die Kelten hatten einen starken Baumkult, zum Sommeranfang am 01. Mai wurden an Bäumen rituelle Opfer dargebracht. Auch bei den Germanen waren die Bäume heilig und Segen bringend. Am 1. Mai, an dem sich die mütterliche Freia mit dem Himmelsgott Wotan vermählte, wurde u.a. ihnen zu ehren ein Birken- oder Buchenstamm aufgestellt.

Mit der Christianisierung Europas sollten sich die Gepflogenheiten ändern. Ähnlich dem ursprünglich heidnischen Weihnachtsbaum gab es beim Maibaum große Vorbehalte seitens der Kirche. Wie bei jeder monotheistischen Religion wurde die Vergötterung von Bäumen untersagt und unterbunden. Sie verurteilte ferner den heidnischen Fruchtbarkeitszauber und wies auf zu große „Ausgelassenheit“ auf den Festen hin, bei denen „der dritte Teil der Mädchen die Ehre verliere“.

Darüber hinaus haben Wald- bzw. Grundbesitzer sich heftig gegen den Raubbau und Diebstahl ihrer Bäume gewehrt, unterstützten die Kirche bzw. gingen entsprechend hart zu Gericht. Sie werten sich gegen den „dem Forste höchst schädlichen Missbrauch“ mit „willkürlicher Geldstrafe“ oder „mit empfindlicher Leibesstrafe“. Durch meist politische Machtkämpfe waren sich die Kirche und die weltlichen Herren nicht immer einig, eine Tatsache, der wir die erste schriftliche Erwähnung eines Maibaumes zu verdanken haben. Und die stammt aus Aachen! Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1225 geht hervor, dass ein Stadtpfarrer den von Bürgern „gottlos aufgerichteten Baum“ umlegen ließ. Der herbeigerufene Stadtvogt – dem der Brauch gefiel - ließ nun seinerseits einen neuen Baum aufrichten – einen noch höheren!

Aus der Not
Erst als man erkannte, dass der Brauch nicht auszurotten war, auch Bäume als Sitz von z.B. Maria (Marienlinde) anerkannt wurden, machte man aus der Not eine Tugend. Das heidnische Fest wurde allmählich christlich umgewandelt, heidnische Dorfumgänge wurden zu christlichen Maiprozessionen – mit Aufstellung eines Maibaums.



 

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zuletzt bearbeitet am 3.VI.2011