30.Dez.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


F1 und Heterosis: Ein Schnellkurs Genetik für Hobbygärtner

Joachim Schmitz

Die Winterruhe im Garten ist die Zeit, die Aussaat im Frühjahr zu planen und Saatgut im Geschäft oder im Katalog auszuwählen. Immer häufiger findet man dabei neben dem Namen der Art und der Sorte den Zusatz F1. Was bedeutet das?

Der Kunde erwartet Sortenreinheit. Bei der klassischen Pflanzenzüchtung erreicht man das, indem man über mehrere Generationen immer wieder nur die Pflanzen zur Zucht zulässt, die einem gesetzten Zuchtziel am nächsten kommen. Sehen die Nachkommen einheitlich und genau wie ihre Eltern aus, kann die Sorte in großer Menge vermehrt und in den Handel gebracht werden. Genetisch bedeutet das, dass über Generationen Inzucht betrieben wird. Die Folge ist, dass nicht nur erwünschte Merkmale einheitlich weiter vererbt werden, sondern auch unerwünschte wie Anfälligkeit gegenüber bestimmten Krankheiten. Dies kann man durch F1-Sorten vermeiden.

F1 ist in der Genetik das Symbol für die Nachkommen aus der Kreuzung unterschiedlicher reinerbiger Eltern. F steht dabei für Tochtergeneration (von lat. filia = Tochter), 1 steht für die 1. Generation, also die direkten „Kinder“ aus der Elternkreuzung. Für die Produktion einer F1-Sorte müssen zuerst nach der klassischen Züchtungsmethode zwei unterschiedliche, aber in sich reinerbige Elternlinien herangezogen werden. Dann werden die miteinander gekreuzt und die Samen als F1-Sorte verkauft. Nach der 1.Mendelschen Regel sehen die Nachkommen aus einer solchen Kreuzung alle gleich aus (Uniformitätsregel), die Sortenreinheit ist also gewährleistet. Gleichzeitig sind die Pflanzen vitaler und weniger anfällig für Krankheiten.

Für den Züchter ist das Verfahren sehr aufwändig. Um nicht erwünschte Kreuzungen auszuschließen, muss die Bestäubung in der Regel von Hand durchgeführt werden, d.h. der Pollenstaub aus Blüten der väterlichen Elternlinie muss von Hand auf die Narbe der mütterlichen Linie gebracht werden. Andererseits ist es nicht möglich, F1-Sorten selbst weiter zu züchten. Die Nachkommen der zweiten Generation (F2) spalten nach der 2.Mendelschen Regel auf, d.h. die Enkelgeneration ist weder in sich einheitlich noch gleicht sie ihren Eltern (also der F1-Generation) in allen Merkmalen. Der Kunde muss das Saatgut also jedes Jahr neu kaufen.

Selten findet man auch F2-Sorten im Handel. Die sind dann nicht einheitlich, sondern man nutzt den Spaltungseffekt, um mit wenig Aufwand z.B. „Bunte Mischungen“ zu erzeugen.

Als Gregor Mendel eine kleinwüchsige mit einer größeren Erbsensorte kreuzte, sah er zu seiner Überraschung, dass die Pflanzen der F1 noch höher wurden als die größere Elternlinie. Dieses Phänomen nennt man Heterosis. Es versteht sich von selbst, dass dies besonders für Nutzpflanzen zur Steigerung des Ertrags von Interesse ist. Schon in den 1940er-Jahren hat man in den USA Heterosis-Sorten vom Mais gezüchtet. Zur Erzeugung der F1 mussten anfangs Handbestäubungen durchgeführt werden. Später hat man eine Mutation gefunden, bei der die Ausbildung von Staubbeuteln unterbleibt und die so als Mutterlinie dienen kann, da eine Befruchtung mit eigenem Pollen ausgeschlossen ist. Gleiches gilt übrigens auch für den Raps. Hier hat eine deutsche Zuchtanstalt die entsprechenden Mutanten gefunden. Heute gibt es auch eine Sorte, denen die männliche Sterilität gentechnisch eingebaut wurde. Bislang ist die in der EU aber noch verboten.


 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 6.I.2011