18.Nov.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Keine Ruhe. Das neue Gartenjahr wird jetzt geplant und vorbereitet.

Karl Josef Strank

„Dieser Monat (itzt sind die Tage am kürzesten) ist der dunkelste des ganzen Jahres … Zuweilen ist der Boden gefroren, so daß im Garten wenig gethan werden kann; zu anderen Zeiten gibt es heftigen Regen oder dicken, sehr üblen Nebel, bey dem es unbekömmlich ist, sich im Freyen aufzuhalten, und der für die Pflanzen verderblich ist.“ Das schreibt Philip Miller 1734 in seinem Gardener´s Kalendar über den Dezember. Für gewöhnlich denkt man, dass in der kalten und dunklen Jahreszeit im Garten Ruhe einkehrt und (fast) nichts zu tun ist. Das trifft aber nur teilweise zu, denn für Planung und Vorbereitung des neuen Gartenjahres ist jetzt die geschäftigste Zeit. Gerade in diesen Wochen erscheinen die neuen Garten- und Samenkataloge, die es zu durchstöbern gilt. Fleißige Gärtner haben auch schon die diversen Knollen und Zwiebeln im Boden versenkt, die im kommenden Frühjahr den Boden durchbrechen und untrüglich anzeigen werden, dass die lichte und wärmere Jahreszeit beginnt und der Winter in den letzten Zügen liegt.

Winterlinge, Schneeglöckchen und Krokusse erscheinen als erste, oft schon, wenn auch tatsächlich noch Schnee den Boden bedeckt. Dann folgen der Märzenbecher, die Lerchensporne und Blausterne. Den ersten üppigen Flor liefern die Osterglocken in ihren verschiedenen Formen. Geradezu vor Nektar laufen die Kaiserkronen über und ziehen Bienen, Wespen und Hummeln in Scharen an. Mit den ganzrandigen, gefransten oder gefüllten Formen der Tulpen und der ganzen Palette ihrer leuchtenden Farben kann jeder jetzt schon spielen, wenn aus den Katalogen die Auswahl getroffen wird. Auf den üppigen Blütenflor kann sich vorfreuen, wer mit dem Legen der Knollen und Zwiebeln im Garten für das kommende Frühjahr vorgesorgt hat.

Die eher trüben, nassen und kalten Tage, an denen keiner wirklich Lust verspürt, draußen zu arbei-ten, bieten so auch reichlich Gelegenheit, sich Gedanken zu machen über die Pflanzung von Stau-denbeeten, die richtige Auswahl der Blumensorten oder den Fahrplan der zeitlich und räumlich geschickt gestaffelten Abfolge von Gemüsen, Salaten und Kräutern für eine sinnvolle Mischkultur im kommenden Jahr.

An trockenen Tagen ist dann, wenn das letzte Laub gefallen ist und die Winterknospen an Sträuchern und Bäumen gut ausgereift sind, der richtige Zeitpunkt gekommen, den Winterschnitt durchzuführen. Bei Sträuchern gilt es, das alte Holz zu entfernen und von der Basis junge, neue Triebe nachzuziehen. Bei Bäumen ist die Krone innen auszulichten, damit Licht und Luft die Äste erreichen, und das tragende Baumgerüst ist herauszuarbeiten und freizuschneiden, damit sich nicht konkurrierende Triebe über die Leitäste schieben und diese im Wachstum behindern und zurückdrängen. Sehr empfehlenswert ist auch, die Rinden zu putzen und zu glätten, denn viele Schadinsekten überwintern in den Ritzen und Spalten und warten darauf, im nächsten Jahr wieder an Blättern, Blüten und Früchten zu saugen, zu stechen und zu fressen. Wer sich die Mühe macht, kann auch die gereinigten Stämme mit Kalk und Dung anstreichen. Um die Schädlinge auf natürliche Weise zu regulieren, kann den Nützlingen mit dem Bau von Nisthilfen, die ihnen das Überwintern erleichtern, geholfen werden. Totholzhaufen oder Steinhaufen und Reisig, Laub, langes Gras und anderes Polstermaterial sind für Igel und Wiesel sehr hilfreich. Trocken aufgehängte Kästen, mit Wellpappe und/oder Holzwolle gefüllt, bieten Marienkäfern, Florfliegen, Ohrenkneifern und anderen Nützlinger im Garten den geeigneten Unterschlupf. Die Nistkästen der Vögel müssen gereinigt und ausgebessert werden, denn im Frühjahr, wenn sie die junge Brut zu versorgen haben, sind sie die fleißigsten Helfer, die das Heer der Insekten nicht überhand nehmen lassen.

Äußerste Aufmerksamkeit aber sollte der Gärtner auch im Winter dem Boden widmen, denn mit dem Abdecken durch Erntereste von Pflanzen, angerottetem, grobem Kompost, Stroh oder anderen Mulchmaterialien wird er so eingepackt, dass er nicht bei starkem Regen verschlämmt und weniger durchfriert. Die Bodenlebewesen und die Würmer bleiben aktiv, arbeiten das organische Material als Dünger ein und lockern das Bodengefüge. Es wird ein Vergnügen sein, im nächsten Frühjahr diese humose und krümelige Gartenerde einzusäen und zu bepflanzen.

Einer alten englischen Gärtnertradition zufolge wurden bestimmte Zwiebeln am kürzesten Tag des Jahres gepflanzt und am längsten Tag des Jahres geerntet. Ältere Berufsgärtner pflanzten ihre Zwiebeln am St.-Thomas-Tag, dem 21. Dezember. Das hatte den Grund, dass dieser Tag neben dem Karfreitag zu den zwei kostbaren, bezahlten und freien Tagen des Jahres gehörte. Die Zwiebeln wurden als Kartoffelzwiebeln bezeichnet und sahen den Schalotten ähnlich. Sie bildeten Bündel von Tochterzwiebeln um die Hauptzwiebel und wuchsen unterirdisch. Sie hatten ein starkes Aroma und waren in der viktorianischen Zeit sehr beliebt. Heute ist diese Sorte wohl verloren gegangen, denn ihre Spur verliert sich in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Irland, wo man das letzte Mal von ihr hörte.

Ein Ratschlag aus dem 17. Jahrhundert an Gärtner, die ein Gewächshaus haben, lautet: „Achtet darauf, daß Türen und Fenster Eurer Wintergärten gut bedecket und vor der schneidenden Luft geschützet werden, denn Eure Orangen sind itzt einer schlimmen Probe unterworfen …sehet nach Euren Brunnenrohren … denket beyzeiten daran, und der Rath wird Euch Mühen wie auch Kosten sparen.“

Und wenn im Garten alles wohl bestellt ist, dann findet ein Gärtner im Winter auch die Zeit, die Geräte zu säubern und blank zu putzen, gegebenenfalls die Scheren zu schleifen, einen zerbrochenen Stiel zu reparieren, das Frühbeet auszubessern und, und, und … So bewahrheitet sich die alte Weisheit: „Das Jahr des Gärtners ist ein Kreis, denn seine Mühen kommen nie an ein Ende.“



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zuletzt bearbeitet am 27.XII.2010