8.Juli 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kirschen: Eine süße Verlockung, der man kaum widerstehen kann

Karl Josef Strank

„Sitzt eine Jungfer in der Laube, hat einen roten Rock an. Wenn ich sie drücke, dann weint sie und hat doch ein steinern´ Herz.“ Was ist wohl mit diesem alten Rätsel gemeint? Natürlich die Kirschen und der Kirschbaum!

Kirschen sind nach den Erdbeeren die ersten heimischen Früchte des Jahres. Wenn sie reif sind, prallrund, gefurcht oder herzförmig, dunkelrot, hellrot oder gelblich in der Farbe, knackig oder weich und saftig bieten sie eine Verlockung, der man kaum widerstehen kann. Schön waren die Zeiten als in jugendlichen Jahren man Nachmittage in den dichten Kronen alter Bäume verbrachte, den Blicken entzogen sich satt essen konnte an köstlichen Kirschen. Aus dem Baum stieg man rechts und links an den Ohren behängt mit Kirschenschmuck, der an den langen Stielen zusammengewachsen ist. Nicht selten stellte sich dann Stunden später ein seltsames und unangenehmes Rumoren im Bauch ein, das aber nur selten ob des üppigen Kirschenmahls Reue aufkommen ließ.

„Träume von roten Kirschen bedeuten Glück.“ Gerne holte man in der Vorweihnachtszeit Kirschzweige ins Haus. Nach alten Weisungen sollten diese am Barbaratag, den 4. Dezember, oder in der Andreasnacht, den 30. November, zwischen 11 und 12 Uhr geschnitten werden. Die Zweige konnten jungen Mädchen den zukünftigen Bräutigam weissagen. Hierzu hängte man die Namen möglicher Kandidaten an die Zweige. Bräutigam wurde der, dessen Name an dem Zweig hing, der als erster aufblühte. Blühte keiner der Zweige, gab es auch keine Hochzeit. Blühten die Zweige vor Weihnachten, bedeutete das Glück, gutes Wetter und ein fruchtbares Jahr, blühten sie erst nach Weihnachten, deutete das auf ein spätes Frühjahr, blühten sie gar nicht, galt das als böses Vorzeichen und es drohte noch größeres Ungemach.

In den allermeisten Sagen steht der Kirschbaum mit seiner glänzenden Rinde und der weißen Pracht seiner Blüten mit dem Mond in Verbindung. Scheint der Vollmond während der Blüte, gibt es reichliche Frucht, blüht er bei Neumond, gibt es wenige bis gar keine Früchte. Mit dem in der japanischen Kultur tief verwurzelten Kirschblütenfest feiern die Menschen zu Beginn des Frühlings Schönheit und Neubeginn in der Natur.

Und wieder: Kaiser Karl

Plinius, der römische Naturenzyklopädist, berichtet, dass Lukullus, Feldherr und berühmter Fein-schmecker, 74 v.Chr. nach seinem Sieg über Mithridates aus Pontus in Kleinasien die Kirschen mit nach Rom gebracht haben soll. Das ist zwar eine schöne Geschichte, sie stimmt aber nicht, denn schon der Grieche Theophrast im 4. Jahrhundert v.Chr. kennt und erwähnt die Kirschen. Die Römer brachten sie allerdings nach Germanien. Saure Kirschen wanderten im späteren Mittelalter über die Slawen von Osten zu uns ein. Karl der Große hat im Capitulare de villis „ceresarios“ als unerlässlich für den Obstgarten aufgelistet und fordert sogar diese in „diversi generis“, mehreren Sorten, vorzuhalten. Heute gibt es zahlreiche Sorten, alleine in Deutschland etwas um die 240. Etwa 100 davon hat der Freundeskreis auf der kleinen Hollandwiese angepflanzt. Ziel ist es, auf Dauer alle Sorten Deutschlands in der Nähe von Melaten vorzuhalten.

Ein berühmtes Kirschenanbaugebiet liegt in Werder, der grünen Havelinsel, nahe Potsdam „wo tief im Laub die Knupperkirschen glühn“, wie Theodor Fontane sich in seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg erinnert. Nicht nur der sandige Boden der Mark, sondern auch die Vorliebe der Preußenkönige, allen voran Friedrich II., der Große, haben Potsdam und Umgebung zu einem Zent-rum der Obstkultur insbesondere für Kirschen werden lassen. Nicht minder berühmt für seine Kir-schen ist der Schwarzwald. Dort und in der angrenzenden Schweiz werden spezielle Sorten, insbe-sondere „Dolleseppler“, aber auch Wildkirschen, was dann als ausgemachte Spezialität für Kenner gilt, einer hochgradig veredelten Verwendung zugeführt, indem sie zu geistig hochprozentigem Kirschwasser destilliert werden. Ein gutes Kirschwasser ist auch essentieller Bestandteil der bekanntesten Torte Deutschlands, der Schwarzwälder Kirschtorte. Damit nicht genug der kulinarischen Genüsse. Kirschen machen sich ausgesprochen gut in Griesmehlpudding, Pfannkuchen, ja selbst in Tiroler Knödeln. Dem kreativen Kochen und anschließenden Essvergnügen setzen sie weite Grenzen.

Luther wollte selbst angesichts der größten Not ein Apfelbäumchen pflanzen. Johann Peter Hebel jedoch entschied sich in seinem Schatzkästlein von 1811 so: „Wenn ich die Wahl hätte, eine eigene Kuh oder einen eigenen Kirschbaum. Lieber einen Baum. So ein Baum frißt keinen Klee oder Hafer. Nein, er trinkt still wie ein Mutterkind den nährenden Saft der Erde und saugt reines warmes Leben aus dem Sonnenschein und frisches aus der Luft und schüttelt die Haare im Sturm. Auch könnte mir die Kuh zeitig sterben. Aber so ein Baum wartet auf Kinder und Kindeskinder mit seinen Blüten und mit seinem Segen.“

Wer noch mehr über Kirschen erfahren möchte, dem sei der Kersendag am Sonntag, den 11.07.2010 von 10-17 Uhr, in der Landcommanderij Alden Biesen bei Maastricht empfohlen. Allein schon die alte Kommende des Ritterordens lohnt den Ausflug. Zusammen mit Freunden präsentiert dort die Nationale Boomgaardenstichting viele hundert Sorten und alles Wissenswerte über Kultur und Verwendung von Kirschen. Der Eintritt ist frei.


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zuletzt bearbeitet am 18.X.2010