10.Juni 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Unkräuter – ungewollte Pflanzen mit erstaunlichen Eigenschaften

Karl Josef Strank

Wer hat sich nicht schon einmal geärgert über die vielen Kräuter im Garten, die meist schneller wachsen als die Salate, Gemüse und Würzkräuter, die wir wertschätzen und eigentlich im Garten ernten wollen. Doch nur zu oft werden diese von üppig wuchernder Vogelmiere, dem Hirtentäschel- oder dem Franzosenkraut derart bedrängt, dass die Nutzpflanzen darunter zu ersticken scheinen.

Bei einem solchen Anblick drängt sich dann auch gleich der Gedanke auf, dass diese wilden und nutzlosen Kräuter den gewollten Kulturpflanzen die Nährstoffe im Boden streitig machen und wegnehmen, was in logischer Konsequenz dazu führt, dass diese schlecht sind und als „Unkräuter“ unter Umständen „mit allen Mitteln“ zu bekämpfen sind.

Dabei nutzen die Unkräuter nur in hervorragender Weise die Bedingungen, die wir ihnen im Garten durch die Art der Bodenbearbeitung und Düngung erst schaffen und die sie in der Natur nur selten vorfinden. Sie kommen daher auch nicht sehr häufig in reifen und ungestörten Ökosystemen vor. Viele unserer sogenannten Unkräuter sind einjährige Pflanzen, die nach der Blüte und Fruchtreife in allen Teilen absterben und nur mit ihren Samen überleben. Diese bilden sie dafür aber schnell und in großer Menge. Außerdem besitzen die Samen eine ungewöhnliche Überlebens- und Keimfähigkeit, die sie unter Umständen über mehrere Jahrzehnte behalten. Treten nach vielen Jahren wieder einmal günstige Bedingungen auf in Form eines von anderen Pflanzen befreiten und offenen, vielleicht sogar noch an Nährstoffen reichen, Bodens sind sie sofort wieder in Massen da. Diese Bedingungen bieten wir für gewöhnlich in unseren Gärten und auf beackerten Feldern den Unkräutern jedes Jahr aufs Neue an. Es darf von daher nicht verwundern, dass diese Pflanzen unsere Angebote immer wieder freudig annehmen.

Warum die Vogelmiere?

Die Vogelmiere zählt zu den häufigsten Unkräutern unserer Gärten und, lässt man sie gewähren, wuchert sie in kürzester Zeit die freien Flächen zwischen den Reihen zu mit feinen Ästchen, kleinen Blättchen und weißen Blüten, die vom Zentrum in alle Richtungen wachsen. Angenehm ist es, sie zu entfernen, wenn man die Wurzel erwischt. Dann lösen sich gleich ganze Wuschel dieses Gartenunkrauts, das gerne von Hühnern und Tauben gefressen wird, daher der Name Vogelmiere. Sie zeigt beste Gartenbodenqualität an: locker, krümelig, humos, nährstoffreich. Bedenklich wäre, wenn sie nicht im Garten wächst.

Häufig ist auch das Franzosenkraut anzutreffen. Nach dem Krieg begrünte es spontan die unzähligen Trümmergrundstücke. In nassen Sommern kann es durch massenhaftes Auftreten zur Gartenplage werden. Doch woher der Name? Brunnen vergiften, Ernten vernichten und Felder verunkrauten, „das hat der böse Feind getan“ so hieß es früher oft. Auffällig wurde die Pflanze zeitgleich mit den Invasionen der französisch-napoleonischen Armeen zu Beginn des 19. Jahrhun-derts, folglich vermutete man dahinter „die Franzosen“. Ein kausaler Zusammenhang besteht aber nicht. Denkweise und Zeiten, die zu dieser Vermutung Anlass gaben, sind heute in Europa – Gott sei Dank – überwunden.

Hirtentäschel - ebenfalls häufig in Gärten anzutreffen - ist nach der charakteristischen Form der Schötchen benannt, die an Umhänge-Taschenbeutel von Hirten erinnern, entpuppt sich als alte Heilpflanze, die zur Blutstillung verwendet werden kann. Als Tee wirkt sie bei älteren Menschen ausgleichend bei schwachem Herz und Blutdruckschwankungen.

Löwenzahn ist nicht nur als Pusteblume für Kinder interessant, sondern die jungen Blätter liefern ebenfalls einen schmackhaften Frühlingssalat. Der Klatschmohn - früher häufig zusammen mit der blauen Kornblume auf den Feldern zu sehen – ist als Pionierpflanze auf frisch aufgeschüttetem oder umgebrochenem Boden auch heute noch mit seinen roten Blumen Aspekt bestimmend. Als Kulturpflanze begleitet der Mohn die Menschen seit Urzeiten.

Wie Medusa

Als eines der schlimmsten Gartenunkräuter kann der Giersch Gärtnerinnen und Gärtner zur Verzweiflung bringen. Er wächst im feuchten Schatten unter Hecken und Sträuchern, verkrallt sich mit seinen unterirdischen Trieben in das Wurzelgeflecht anderer Pflanzen und ist von daher nur äußerst schwierig zu entfernen. Eigentlich hilft nur Ausgraben und die Erde durchsieben, denn bleiben selbst kleinste Stückchen seines wurzelähnlichen Sprosses –es genügt ein kleiner Teil des Stängels mit einem Blattknoten - im Boden zurück, treibt er aus diesen wieder aus und regeneriert in kürzester Zeit eine vollständig neue, lebensfähige Pflanze. Es mutet an wie der aussichtslose Kampf gegen die vielköpfige Medusa.

Giersch hilft bei Gicht

Doch die ärgsten Feinde, die man nicht besiegen kann, muss man sich zu Freunden und Verbündeten machen, indem man sie isst. Keine schlechte Lösung, denn die jungen frischen Blätter des Gierschs sind genießbar und wie der Name vermuten lässt, ist er eine alte Volksmedizin gegen Gicht, weswegen er in manchen Gegenden auch „Zipperleinkraut“ genannt wird.

„Unkräuter“ – wie der Name suggeriert – unter die wertlosen Pflanzen zu subsummieren, trifft also in Wirklichkeit nicht zu, denn diese Pflanzen offenbaren oft erstaunliche Eigenschaften.


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zuletzt bearbeitet am 10.IX.2010