21.Jan.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kein Zeichen des Klimawandels: Winterblüher – manche mögen´s eher kalt

Karl Josef Strank

Früher, als die Küche und die gute Stube die einzigen beheizten Räume in den Häusern waren, schlug sich der Atem der Bewohner oft als Kondenswasser innen auf den Scheiben der Fenster nieder und, wenn man morgens nach klirrend kalten Winternächten aufwachte, zeigten sich an den Fenstern oft schöne und filigran verzweigte Eisblumen, die die Menschen vor allem dann erfreuten, wenn die Morgensonne ins Zimmer fiel und diese kristallenen Strukturen in den Farben des Regenbogens aufleuchten ließ. In den heutigen Zeiten gut isolierter und energieeffizienter Häuser wird man Eisblumen kaum noch zu Gesicht bekommen und wenn doch, liegt die Vermutung nahe, dass bei der Errichtung des Hauses irgend ein „Pfusch am Bau“ passiert ist.

Realer sind da schon Eisblumen im Garten, die regelmäßig als „Winterblüher“ auftreten. Für normal verbinden wir Blüten bei Pflanzen mit dem Frühling und dem Sommer und mancher mag sich fragen, ob Blüten mitten im Winter nicht doch als untrügliches Zeichen für den Klimawandel zu werten sind. Dem ist aber nicht so, denn es gibt eine Reihe von Pflanzen, die diesen wichtigen Lebensabschnitt der Blüte in den Winter verlegen und daraus sogar ihren Vorteil ziehen.

Das klassische Beispiel eines Winterblühers ist der Winter-Jasmin, Jasminum nodiflorum. An den grünen peitschenartigen Trieben erscheinen mitten im Winter die sattgelben Blüten, die in der Form an eine Forsythie erinnern. Seine Blüten öffnet er nach und nach den ganzen Winter über immer dann, wenn der knackige Frost eine Pause einlegt und milde Witterungsphasen sich zwischen die kalten Perioden schieben. Fallen die Temperaturen auf -15°C und darunter, vergeht auch den härtesten Winterblühern die Lust, ihrem Namen alle Ehre zu machen.

Blüten mitten im Winter verwirren die meisten Menschen schon sehr, weil es so vollkommen den Erwartungen widerspricht und damit leicht den Nimbus des Wunderbaren bekommt. Es hat aber handfeste Gründe, dass einige Pflanzen diesen bedeutenden Lebensabschnitt in den Winter verle-gen. Weil die Bäume keine Blätter tragen, gelangt viel Licht auf den Boden, was krautige und strau-chige Pflanzen begünstigt. Windbestäubte Pflanzen können an trockenen und sonnigen Wintertagen ihren Pollen ungehindert verbreiten. Nektarführende und duftende „Winterblüten“ nutzen fast exklusiv die Bestäubungsdienste sehr spät oder sehr früh im Jahr aktiver Insekten, weil sie in der kahlen Winterlandschaft die einzigen Nahrungsquellen anbieten, was beiden Partnern zum Vorteil gereicht.

Bekannt für ihre Winterblüte sind auch die verschiedenen Zaubernussarten. Regelmäßig werden die zarten gelben oder rötlichen Blüten von Schneefall überrascht, was besonders stimmungsvolle Bilder abgibt. Ähnlich schön und exotisch bezaubern passionierte Gartenfreunde im Winter die Winterblüte, Chimonanthes praecox, und der Eisenholzbaum, Parrotia persica. Von letzterem steht ein Exemplar am Eingang zur Mensa der ehemaligen PH auf der Hörn. Jedem sind auch sicher schon mal die Kätzchen der Haselnuss aufgefallen, die an milden Wintertagen oder im zeitigen Frühjahr aufbrechen und ihre Pollenwolken verstäuben. Gleichzeitig schieben sich dann an unscheinbaren kleinen Seitenknospen der Äste die noch kleineren roten Narbenlappen der weiblichen Blüten zum Empfang der Pollen schopfartig an der Spitze aus diesen hervor.

An harte Winter gewöhnt ist auch die Schnee-Heide, Erica carnea, die ihre Heimat in den Alpen hat. Da sie oft im Dezember oder sehr zeitig im Februar/März unter Schneebedeckung blüht ist sie die erste ergiebige Nahrungsquelle für Bienen und andere Insekten, wenn diese im Frühjahr ihre Arbeit wieder aufnehmen.

Ein dankbarer Winterblüher ist der Winter-Schneeball, Viburnum bodnantense. Die üppigen Blütenbüschel von weißer bis zartrosa Färbung erscheinen fast den ganzen Winter über direkt am Holz der Zweige und Äste. Den ganzen Sommer über hat der Strauch nur dunkelgrünes Laub, das sich zum Herbst hin rötlich verfärbt. Das ist aber nicht alles, was der Winter-Schneeball zu bieten hat. Sehr intensiv verströmen die Blüten einen frischen angenehmen, sehr lieblichen Vanille-Duft. Das überrascht im Winter derart, dass mancher, der vorübergeht, die Nase lange in die Blüten steckt, um dieses ungewöhnliche und angenehme Dufterlebnis ausgiebig zu genießen.

Nicht zuletzt sind Winterblüher auch psychologisch sehr wichtig, denn selbst im tiefsten trübgrauen Winter spenden sie Hoffnung und versprechen die Wiederkehr schöner Tage des Frühlings und des Sommers.


 

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zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2010