BIOkybernetisches Zentrum AAChen





Wo wächst eigentlich der Reichsapfel?

Der Karlsgarten im historischen Kontext
[Empfehlung: Grundschul-Klassen 3 und 4]
 

Sachinformationen
 

Karl der Große (742-814) hatte als König der Franken ein riesiges Reich zu regieren, das bekanntlich einen großen Teil des heutigen Europas umfasste. Um seine Interessen durchzusetzen, war es nötig, der Bevölkerung einheitliche Gesetze in sogenannten Capitularien zu erteilen. Das bekannteste Capitulare aus Karls Regierungszeit ist das "Capitulare de villis vel curtis imperialibus". Es enthält genaue Vorschriften zu Bewirtschaftungsmethoden auf den königlichen Hofgütern. Dies war auch für Karl den Großen persönlich wichtig, da er wie seine Vorgänger keine Hauptstadt besaß, sondern sich ständig auf Repräsentationsreisen befand oder aber Krieg führte.
Quartier nahm er dabei mit seinem großen Tross in zahlreichen Pfalzen, Klöstern und eben auf diesen königlichen Hofgütern. Durch das oben erwähnte Capitulare war somit sichergestellt, dass er an allen Stützpunkten gleich gute Bedingungen für seine Unterbringung vorfand.
Als Besonderheit enthält das in einer Handschrift überlieferte Werk im 70. Kapitel eine ausführliche Liste von Pflanzen, die auf den Hofgütern in einem Garten angebaut werden sollten. Es verordnete den Anbau von 73 Nutzpflanzen (Gemüsen, Küchenkräutern, Gewürz- und Heilpflanzen), sowie die Anpflanzung von 14 Baumarten (darunter mehrere Apfelsorten).

Dieses Kapitel ist für uns heute ein sehr interessan-tes Dokument, nicht nur was die frühmittelalterliche Ernährung, sondern auch die Geisteshaltung der damaligen Zeit angeht. Der Kräuter- und Pflanzengarten König Karls diente zwar der Versorgung des reisenden Königstrosses, darf aber nicht ausschließlich von seinem Nützlichkeitswert her gesehen werden. In diesen Garten einbezogen sind die Glaubensvorstellungen der Antike, vom Christentum aufgenommen und verwandelt. Man glaubte an eine zweifache Wirkung der Pflanzen, an deren medizinische und magische Kräfte.

Somit ist der Garten Karls des Großen, bzw. die zugrundeliegende Pflanzenliste des Capitulare, ein wichtiges und interessantes Dokument für die Verschmelzung der griechisch-römischen Kultur mit der keltisch-germanischen in der Karolingerzeit.. Interessanterweise liegt der neu angelegte Kapitularegarten ganz in der Nähe des ehemaligen karolingischen Reichsgutes Seffent (Septem Fontes= Sieben Quellen), das ja, zumindest nach kaiserlicher Anweisung, einen solchen Garten besessen haben muss. So kann man sich, mit Blick auf die ländliche Umgebung, fast schon in die Zeit Karls des Großen hineinversetzen. Anschaulich können hier im Garten Ernährungsgewohnheiten, Heilkunde, Glauben und Symbolik des Frühmittelalters erkundet werden.

Ordnet man die Pflanzen des Capitulare aus heutiger Sicht nach dem Verwendungszweck in Gruppen und vergleicht diese mit der überlieferten Nutzung in der Karolingerzeit, so ergeben sich oft Ähnlichkeiten mit der heutigen Anwendung, bisweilen eine veränderte Nutzung (wer kennt schon die Bedeutung der Petersilie als hochgeschätztes Heilkraut) und manchmal trifft man auf kaum noch bekannte Pflanzen, deren Name eine interessante Geschichte verspricht (was verbirgt sich z.B. hinter dem Namen "Jupiterbart"?).
 
 

Unterrichtsverlauf

Über das Symbol des Reichsapfels werden die Schüler/innen in den historischen Kontext eingeführt. Der Apfel symbolisiert als stilisierte Weltkugel zum einen Macht und Landbesitz, zum anderen ist der Apfelbaum der als erstes kultivierte Obstbaum in Europa, also ein wichtiges Gewächs in mittelalterlichen Gärten. Offenbar war auch Karl der Große ein ausgesprochener Apfelfreund, da er sogar anordnete, immer mehrere Apfelsorten in seine Gärten zu pflanzen.

In Kleingruppen werden die Schüler/innen losgeschickt, um den Karlsgarten selbständig zu erkunden. Dazu wurden zuvor ausgewählte Pflanzen in vier Gruppen (Nahrungsmittel, Würzkräuter, Heilpflanzen, Pflanzen in Glaube und Brauchtum) eingeteilt und mit einem entsprechenden Symbolschildchen versehen. Die Schüler/innen finden "ihre" Symbole, betrachten die dazugehörigen Pflanzen und nehmen eine kleine Beschreibungskarte der Pflanze von dort wieder mit zurück zur Gruppe. In der Gruppe versuchen die Schüler/innen gemeinsam herauszufinden, was ihr Symbol bedeutet und warum die entsprechenden Pflanzen dazugehören. Einige (3-4) Pflanzen, die besonderes Interesse geweckt haben, werden an ihren Standorten im Garten aufgesucht, dabei versuchen die entsprechenden Schüler/innen ihre Pflanze wiederzufinden. Dabei kann etwas zur Geschichte der Pflanze, zu ihrem Namen, Herkunftsgebiet, Verwendung im Mittelalter, oder Anekdoten erzählt werden.

Die ausführlichen Unterrichtsmaterialien bieten dabei für den Lehrer sowohl Einführung in das frühe Mittelalter als auch ausführliche Informationen zu den ausgewählten Pflanzen! Besonders interessant sind dabei Vergleiche von damaliger mit heutiger Verwendung. Beispiele dafür können vom Lehrer mi-gebracht werden und Geruch und Geschmack mit den natürlichen Gewächsen verglichen werden (z.B. Salbei: Salbeibonbons; Fenchel: Fencheltee). Beim Betrachten von Blüten, Früchten und unterirdischen Teilen lernen die Schüler/innen anschaulich, welche Teile der Pflanze auch als Bestandteil heutiger Produkte verwendet werden. Sie erfahren gleichzeitig, dass das Wissen über die dahinterstehende Wirkung oft schon viele Jahrhunderte alt ist und auch so ein mächtiger Kaiser, wie Karl der Große, auf die ernährende und heilende Wirkung der Pflanzen angewiesen war und sie deshalb an jedem seiner Stützpunkte anpflanzen ließ.

Abschließend kann im Garten ein gemeinsames Apfelessen stattfinden.

Die Schüler/innen erhalten einen Bastelbogen, mit dem sie sich zu Hause eigene "Reichsäpfel" herstellen können. Zur Vertiefung in der Schule enthält das Unterrichtsmaterial noch weitere Arbeits- bzw. Bastelblätter.
 
 

 
 

Zum Seitenanfang

zurück zur Grünen Schule

Home

zuletzt bearbeitet am 22. VI. 2001