BIOkybernetisches Zentrum AAChen


Metamorphosen des Pflanzenkörpers als Resultat von Auslese und Züchtung am Beispiel der Zuchtformen des Kohls
 
 
Unterrichtsreihe: Wichtige Pflanzenfamilien und ihre Bedeutung für den Menschen
(1 Unterrichtsdoppelstunde / Klasse 6-7)
Voraussetzungen:   Grundlegende Bauplanelemente der hapaxanthen (einmal blühenden) Samenpflanzen
Merkmale der Kreuzblütengewächse sollen aus den vorhergehenden Unterrichtsstunden bekannt sein
Neueinführung: der Begriffe:  zweijährige Pflanzen,  Wild- und Kulturpflanzen,  Metamorphose
Gesamtziel: Die Schüler sollen Bauplanabweichungen (Metamorphosen) analysieren können und die Fähigkeit einüben, trotz starker Abwandlungen den familientypischen Bauplan zu erschließen.
Der menschliche Einfluss auf die pflanzliche Gestalt durch Auslese und Züchtung soll erkannt werden.

 

Sachinformationen

Die Kultur verschiedener Kohlsorten, besonders des Weißkohls hat im Raum Aachen eine mehrere Jahrhunderte zurückreichende Tradition. Ein "Handbuch für Reisende am Rhein" gibt Auskunft: "Ein Teil der Einwohner Aachens lebt von Feld- und Gartenbau. Man greift sie gewöhnlich unter dem Namen der Kappesbauern (Kappes / Cappus von lat.: caput = Kopf - gemeint ist Weißkohl), weil diese Kohlart in außerordentlicher Menge gepflanzt und ungeachtet der großen Konsumption in der Stadt noch häufig ausgeführt wird."
 
 

Abb. 1: Aachener Marktfrau mit den Erzeugnissen der "Kappesbauern".
Das Foto stammt aus der Zeit um 1900.

Die Geschichte der Kultivierung (inkl. Auslese und Züchtung) reicht jedoch wesentlich weiter zurück. Wahrscheinlich wurde der Wildkohl, möglicherweise jedoch auch einige der noch heute bekannten Varietäten, schon vor mehr als 4000 Jahren angebaut. Der Rosenkohl als die jüngste Zuchtform wurde um 1780 in Belgien (Brüsseler Kohl) entwickelt.
Die Nutzung der Wildpflanzen (nicht eine einzelne klar umrissene Art, sondern ein weiter Rassenkreis, der verschiedenste Formen einschließt) ging von deren natürlichen Vorkommen an den Küsten des Mittelmeeres und des Atlantiks aus (nördlichstes Vorkommen: Ostengland und Helgoland).
Heutige "Wildpflanzen" dürfen nicht kritiklos als die realen Vorfahren der Kultursorten angesehen werden. Vielfach dürfte der "Wildkohl" mit kultivierten Formen in Kontakt gekommen sein und sich mit diesen vermischt haben.
 
 
 

Unterrichtsverlauf

Demonstration der verschiedenen Kulturrassen und der Wildform
Soweit als möglich soll Frischmaterial vorgestellt werden. Abhängig von Jahreszeit und Kulturzustand können die Formen im Botanischen Garten demonstriert werden. Mangels ausreichender Kulturflächen können leider keine Pflanzen als Unterrichtsmaterial abgegeben werden. Das Arbeitsblatt "Zuchtformen des Kohls" ist in erster Linie als Unterstützung dieser Demonstration vorgesehen.
1.- Grünkohl
2.- Wirsing
3.- Kohlrabi
4.- Rosenkohl
5.- Blumenkohl
6.- Weißkohl (Kappes)
7.- Zierkohl (ohne Abbildung)
Bei den vorgeführten Pflanzen handelt es sich ausschließlich um erntereife Pflanzen.

Problemstellung: Zu welcher der bekannten Pflanzenfamilien gehören die verschiedenen Kohlrassen?
Diese Frage soll mit den Schülern gemeinsam, ausgehend vom Wissen aus den vorhergegangenen Unterrichtsstunden, bearbeitet werden.
Demonstration und Untersuchung der Blüten verschiedener Kohlrassen. Die Schüler sollen soweit als möglich selbstständig die Verwandschaft der Kohlrassen untereinander, sowie deren Zugehörigkeit zu der bekannten Pflanzenfamilie der Kreuzblütler erkennen.

Problemstellung: Weshalb finden sich an den vorgestellten kultivierten Pflanzen (mit Ausnahme des Brokkoli und des Blumenkohls) keine Blüten/Blütenstände?
Sämtliche Rassen des Gesmüsekohls mit Ausnahme der Sorten des Blütenstandskohls sind zweijährig, werden allerdings schon zum Ende der ersten Vegetationsperiode geerntet. Die genannten Arten bilden hingegen noch im ersten Jahr abnorm gestaltete Blütenstände aus.

Abb. 2: Entwicklung einer zweijährigen, nach einmaliger Blüte und Fruchtbildung absterbenden (bienn-hapaxanthen) Pflanze

Im ersten Jahr entwickelt sich ein Strunk mit mehr oder weniger rosettig gehäuft stehenden Blättern. Erst im zweiten Jahr, nach Überdauerung der klimatisch ungünstigen Saison, formiert die Pflanze den Blütenstand.
Diesem allgemeinen Lebensrhythmus folgten auch die ursprünglichen Rassen des Wildkohls. Entsprechend kann die gemeinsame Wuchs- und Lebensform dieser Gruppe vorgestellt werden.

Abb. 3: Lebensrhythmus der Wildform

 Die gemeinsamen Merkmale des Rassenkreises Brassica oleracea ("Wildkohl") lassen sich wie folgt beschreiben:
Bei der "Wildform" handelte es sich um kräftige, zweijährige Pflanzen mit verhältnismäßig dünner Primärwurzel, deren Stengel schon im ersten Jahr stammartig (z.T. verholzend) entwickelt ist. Die Laubblätter sind etwas fleischig, blau-grün und zumindest bei den atlantischen Rassen glatt.
Anhand des Arbeitsblattes sollen die morphologischen Abwandlungen unterschiedlichster Bauelemente des Wildtypus durch die Schüler erarbeitet werden. Im Anschluß hieran können die Zielrichtungen der Pflanzenzucht am konkreten Fall erörtert werden. Vergleiche zu analogen Zuchtlinien von Kulturpflanzen können eingeleitet werden.

Lösungen des Arbeitsblatts


 
 
Grünkohl Blätter der 1. Wuchsperiode gekräuselt
      
Wirsing und Weißkohl Endknospe stark vergrößert
   
Kohlrabi Achse des 1. Jahres verdickt
   
Rosenkohl Seitenknospen vergrößert
   
Blumenkohl umgewandelter Blütenstand (meist schon im 1. Jahr treibend)
   
Zierkohl Blätter der 1. Wuchsperiode und Endknospe stark vergrößert
   

 

Literatur

Dahlgreen, G. (Hrsg.) 1987: Systematische Botanik. - Springer, Berlin.
Fränz, D. 1988:  Ein Beitrag zur Züchtung des Kohls. -  Der Palmengarten 3/88:187-198.
Schmeil, O. 1914: Leitfaden der Botanik -  Leipzig.
Troll, W. 1954: Praktische Einführung in die Pflanzenmorphologie. -  Jena.
 
 

 
 
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zuletzt bearbeitet am 21. X. 2002